Der Sonnenuntergang über Jersey City, Millionen Lichter, die nach und nach überall angehen, ein ständiges Rauschen der Stadt hier oben, aber auch der leichte Abendwind, der warme Luft durch die Gitterstäbe trägt – es ist schon sehr beeindruckend mitten in Manhattan hoch oben auf einem Wolkenkratzer zu stehen und es fällt mir schwer zu glauben, dass das alles wirklich ist.
Fast wie ein Schutz, als Anker um nicht abzuheben, ist es da ganz beruhigend sich mit seiner Kamera zu beschäftigen, aufs Handy und auf irgendwelche Knöpfe zu drücken…
Oben auf der Besucherterrasse des Empire State Buildings in New York habe ich nun vier Stunden verbracht und mir einige Gedanken zum Fotografieren in der Stadt gemacht.
Es wurde noch nie so viel fotografiert wie heute. Fotos kosten nichts, mit dem Handy hat jeder überall eine brauchbare Kamera dabei und natürlich will man die Eindrücke der Reise auch teilen und muss dafür „Trophäen“ sammeln. Mit Filtern und einfacher Fotobearbeitung kann man schließlich sogar aus eher bescheidenen Aufnahmen noch eine ganze Menge machen.
Schöne Aussicht genießen. Hier ein paar Fotos von Menschen, die schauen:
Praktisch gibt es meiner Beobachtung nach drei Arten von Fotos, die man auf Reisen macht:
- Zum ersten sind da die „Schönen Fotos“. Schöne Fotos versuche ich so viele wie möglich zu machen. Das sind vor allem auch Experimente, das sind die Sehenswürdigkeiten, das typische, charakteristische. Das sind die Fotos, über die man sich am meisten freut.
- Einen weiteren Bereich machen die Fotos aus, die man für die Dokumentation braucht. Zum Beispiel das Hotelzimmer, das Essen, Exponate in einem Museum, etwas witziges, eigenartiges, was man sieht oder findet. Manchmal muss man auch einfach fotografieren, z.B. beim Besuch wichtiger Sehenswürdigkeiten mit Familie oder Freunden, an bemerkenswerten Orten, dabei ist das Licht aber oft gerade Mittags zu schlecht für wirklich schöne Fotos oder man hat keine Zeit für ein großes Aufheben.
- Schließlich gibt es noch die Fotos für eigene Projekte. Das sind Fotos, die man für ein bestimmtes Vorhaben braucht. Ich sammle beispielsweise abstrakte Formen und suche dadurch nebenbei immer wieder nach Mustern, Schatten, Oberflächen usw. Ebenso kann man aber auch z.B. alte Autos, interessante Zeichenmotive, Relikte einer vergangenen Zeit usw. sammeln.
Die Schönheit und Größe eines Augenblicks entsteht oft erst in der Resonanz, im Nachklang, in der Erinnerung und im bittersüßen Schmerz – dass es nun vorbei ist. Irgendwie sind wir alle schon fürchterlich sentimental! Wenn ich mich hier oben über New York so umsehe, im Hier und Jetzt, ist jeder ziemlich für sich. Aber durch das Teilen, mit Menschen, später, kann man den Eindrücken Großartigkeit geben und wenn man davon berichtet, durch Fotos und Geschichten, werden die Dinge in ihrer Schönheit vielleicht greifbarer.
Einige der anderen Besucher um mich herum haben übrigens eine sehr gute Ausrüstung. Nicht nur Handys: So mancher hat große, schwere Objektive und macht keine Einzelaufnahmen, sondern schnelle Reihen mit 7-8 Fotos bei jedem Auslösen…
An die ersten Eindrücke einer neuen Stadt erinnert man sich oft noch Jahre später. Hier ein paar Fotos von meinem ersten Spaziergang in Chicago:
Gerade frisch in einer neuen Stadt angekommen, ist es oft in den ersten Tagen besonders aufregend und es gibt vieles zu entdecken. Mit dem ungetrübten Blick des Gastes ist man überaus empfänglich. Eigenarten, Besonderheiten und Charakter des noch unbekannten Ortes saugt man förmlich auf. Man will sich ein eigenes Bild machen und gerade an die ersten Tage kann man sich oft auch noch Jahre später sehr lebhaft erinnern. Die ersten Kontakte mit Menschen – der Immigration Officer, die Frau, welche einem den Weg zur U-Bahn gezeigt hat, das erste Zimmer und der erste Spaziergang.
Fotos sind dabei sehr wichtig. Sie sind wichtig für unsere Erinnerung, zum Teilen und durch die Sicherheit, die sie uns vermitteln. Fotos bleiben. Durch das Fotografieren kann man Bezüge zwischen der Stadt und sich selber herstellen. Während man gerade noch mit Jetlag und übermüdet eher halb wie im Traum durch die Straßen wandelte, schaffen Fotos dazwischen kurze helle Momente der Präsenz. Wir halten inne, öffnen uns und richten unseren Blick auf etwas bestimmtes. Durch das Fotografieren positionieren wir uns. „Fotografieren in der Stadt“ weiterlesen