Lieblingskamera in New York

Was macht eine Lieblingskamera so kostbar? Ein Mensch, der sich geliebt fühlt, versprüht einen ganz besonderen Glanz. Aber können auch Dinge funkeln? Wollen Kameras lichte Augenblicke des Glücks erhaschen? Das Schillern der Morgenröte? Das Leuchten in den Augen? 

Weiter Blick von der Edge-Aussichtsplattform, 336 Meter hoch über der Stadt: 

Als Arete (griech. ἀρετή) beschreibt man die besondere Tauglichkeit einer Sache. Ihre wesentliche Qualität, durch die sie ihre Aufgabe erfüllt. Was wäre wohl dann die Arete meiner Lieblingskamera? Ich habe sie nach New York gebracht und mit ihr eine Woche lang ausführlich die Stadt erkundet. Meine Überlegung dazu war: Was würde sich eine Kamera wünschen, wenn sie könnte? Was wäre der Lebenstraum dieser kleinen alten Zorki? Und bevor es hier jetzt zu sentimental wird: An mich dachte ich auch. Ich wollte gerne in die Stadt. Dinge haben keine Seele. Ganz ehrlich, Name und Marke der Kamera sind für das Bild eigentlich gleichgültig. Vor allem, wenn man sich klar macht, dass das analoge Foto durchs Objektiv gemacht wird und auf Film entsteht. 

In Harlem habe ich gewohnt und hier war ich die meiste Zeit unterwegs: 

Wie Zauberstäbe brauchen auch Kameras einen Träger, eine Idee und eine Absicht dahinter. Ein Fotoapparat folgt im Moment des Auslösens strikt seinen eigenen technischen Gesetzmäßigkeiten. Als künstlerisches Instrument betrachtet sind Kameras jedoch nicht autonom. Äußere Umstände, Ideen, Wahrnehmungen, Überlegungen und sogar Gefühle des Fotografen spielen für das Bild ebenfalls eine wesentliche Rolle.

Letztendlich dachte ich einfach, weder gefühlsduselig noch völlig rational, mit meiner Lieblingskamera müsste ich doch sicher ganz besonders schöne Fotos machen können. Und New York war dann die ‚coolste‘ Stadt, die ich mir für diesen Versuch denken konnte.  „Lieblingskamera in New York“ weiterlesen

ORWO TC27

Berglabor und Fotoexperimente aus den Dolomiten

Mit vollem Rucksack bin ich im Juli in die Berge gefahren. Im Gepäck hatte ich jedoch nicht nur alle meine Lieblingskameras, sondern auch Wechselsack, Caffenol, Fixierer und Entwicklungsdöschen.

Ewig zu warten, bis man seine Ausbeute begutachten kann, erschien mir keine gute Lösung. Deswegen war sogar ein Reise-Scanner mit dabei. So hatte ich ein kleines, aber komplettes Berglabor und konnte drei Wochen lang ungestört arbeiten, Fotos machen und die Filme direkt entwickeln und anschauen.

Mir macht es sehr viel Spaß, neue Filme auszuprobieren. Dabei recherchiere ich vorher den Stil eines Films und versuche passende Themen und Motive zu finden. Filme mit stark S-förmiger Gradationskurve sehen beispielsweise oft besonders düster aus. Manche Filme schillern in silberigem Glanz und erinnern an alte Kinolegenden. Es gibt aber auch solide, robuste Klassiker wie den Kodak Tri-X 400. Das ist dann vielleicht langweiliger, funktioniert aber und liefert zuverlässige Ergebnisse.

Mein Caffenol-Rezept ist inzwischen ausgiebig erprobt und funktioniert eigentlich mit allen Filmen.

Caffenol-C-L
300 ml Wasser
5 g. Wasch-Soda
3 g. Vitamin C
12 g. Löslicher Kaffee
1 Meßlöffel (< 0,5 g.) Kaliumbromid

300 ml passen genau in eine kleine Jobo Filmentwicklungsdose. 70 Minuten Entwicklungszeit sind es bei 20 Grad. Die ersten 10 Minuten hin und wieder bewegen und vorsichtig schütteln. Anschließend 60 Minuten einfach nur stehen lassen.

Der Vorteil dieser Semi-Stand Entwicklung ist, dass sich das Caffenol anfangs gleichmäßig verteilt, danach wirkt der Entwickler aber ausgleichend. Ich habe das Gefühl, dass sich der Film nimmt, was er braucht. Caffenol C-L ist außerdem durch das wenige Soda nicht so stark und mit der langen Zeit von 70 Minuten ist es ein gutmütiges Entwickeln, welches manche Fehler verzeiht.


Hier die ersten Ergebnisse aus dem Berglabor. Morgendliche Schafherde auf dem Weg zur Alm und ein etwas makaberes Stillleben mit toten Mäusen und verwitterter, bemooster Barbiepuppe, die ich im Wald gefunden habe.

Ich verrate nicht, was es für ein alter Kinofilm war, denn leider ist er so verhunzt, dass spezifische, filmimmanente Qualitäten keine Rolle mehr spielen. 

Fatal war: Ich hatte keinen Messbecher und nur ein zu kleines Marmeladenglas. Da ich mein frisch angerührtes Caffenol ohne Vorwässern nicht in einem Rutsch, sondern in zwei Anläufen in das Entwicklerdöschen geschüttet habe, ist eine unschöne Linie über den ganzen Film entstanden. Gleichmäßiges Eingießen und sanfte Bewegung am Anfang des Entwicklungsprozesses sind, wie man sieht, essenziell.


Umso feiner ist der nächste Film geworden. Tatsächlich ist es einer meiner Lieblingsfilme, der ORWO DN21. Weil er nur 16 ISO hat, kann man auch bei helllichtem Tage mit weit geöffneter Blende fotografieren und das Jupiter 9 Objektiv kann mit ihm seinen ganzen Charme entfalten.

Hier eine Auswahl mit dem ORWO DN21. Die Bilder wirken fein, scharf, hell, freundlich und besonders auch in den Mitten differenziert. Es ist ein fabelhafter Film für sonnige Ferientage mit einem lichtstarken Objektiv. 

Die Ergebnisse des ORWO DN21 wirkten so exquisit, dass ich sie zuhause mit einem guten Scanner nochmal eingelesen habe um genauer hinzuschauen. Tatsächlich ist er so superfein, dass man kaum noch Korn erkennen kann und selbst an weniger dichten Stellen findet sich noch eine erstaunliche Tiefe mit Bildinformationen. „Berglabor und Fotoexperimente aus den Dolomiten“ weiterlesen

Poetische Fotos aus Berlin

Küchentisch meiner alten Wohnung in Berlin

Fotos einer Stadt schaffen über die Zeit einen persönlichen Raum der Erinnerungen. Hier möchte ich meine Berlin-Fotos zusammenfassen. Nachdem ich früher zwei Jahre dort gelebt habe, bin ich inzwischen nur noch selten in Berlin. Aber bei jedem neuen Besuch mache ich natürlich neue Fotos. An sonnigen Sommerabenden ebenso wie an verregneten Novembermorgen…

In diesem Portfolio sollen nur wenige, aber dafür besondere, interessante Bilder aus Berlin zu sehen sein. Und nach jedem Besuch kann die Sammlung um ein paar neue Fotos wachsen.

Wie Berlin ist, kommt darauf an wen man fragt. Berlin ist Party, Geschichte, Politik, viel zu groß, unfreundlich, gentrifiziert, Hauptstadt, das grüne Umland, international, kreativ, Techno, arm aber sexy, häßlich und grau…

Falls man der Stadt eine eigene Poesie zusprechen möchte, wäre es jedenfalls eher kein gemütlicher, heimelig-romantischer Zauber. Berlin ist nicht das Venedig des Nordens oder das Paris des Ostens. Aber etwas Eigenes ist Berlin auf jeden Fall.

Schnappschüsse mit der legendären LOMO LC-A:

Ein Kriterium für meine Auswahl war „poetisch“. Ich wollte „dichterische“ oder „lyrische“ Bilder aussuchen und meinte damit den Wunsch, in irgendeiner Form beseelte Fotos zu finden. Deshalb sind es auch nur analoge Fotos. Im Gegensatz zu digitalen Fotos wirken analoge Fotografien einheitlich, rund und mehr aus einem Guss. Wie eine Glocke ohne Sprung. Die Dinge scheinen in der physischen Bildebene aufzugehen und wirken eben nicht ausgeschnitten oder isoliert, wie es oft bei digitalen Fotos der Fall ist. Die Emulsionsschicht ist wie eine Luftschicht, ein freier Raum, von Licht durchflutet. Im Bereich der Emulsion ist die Atmosphäre zum leben und atmen für das Bild. Es wird nichts berechnet, reduziert oder korrigiert. Die bildgebenden Prozesse sind chemischer Zauber, alchemistische Verwandlung… Echte, analoge Fotos sind physische, beinahe haptische Bilder.

Schwarzweiße Fotos von Wänden und Spiegelungen: 

Drei inhaltliche Kriterien für ein poetisches Foto sind beispielsweise:

  • Wie ist es fotografiert? Der spielerische Umgang mit dem Was. Zufall, Glück oder Kunstgriff. Jedes Foto ist eine Abstraktion.
  • Muss das Foto authentisch sein? Die Wirklichkeit liegt auch oft in falschen Farben, verwackelt oder unscharf vor uns.
  • Gewöhnlich oder alltäglich? Alles was meinen Blick festhält, ist wert genug fotografiert zu werden.

Summer in the city, sommerliche Fotos aus Berlin: 

Unser Sehen ist ein sehr komplexer Vorgang und findet auf mehreren Ebenen statt. Die Welt, wie wir sie sehen, entsteht nicht nur durch den visuellen Reiz. Auch alle möglichen psychologischen und durch die Evolution tief in uns verankerte Interpretationswege formen unser Erleben und das Verständnis einer Situation.
Wir schaffen im Sehen beispielsweise blitzschnelle Bezüge zu alten Bildquellen, die wir dabei abgleichen. Würden wir hier immer nur nach dem Was fragen, wäre die Welt schnell langweilig. Das Was ist alt, bekannt und niemals wirklich neu. Interessanter ist vielmehr das Wie. Wie es klingt, wie es sich anfühlt, wie es aussieht… Nur wenn wir nach dem Wie fragen, können wir etwas Neues erleben. Nur im Wie bekommen die Fotos ihre eigene Wirklichkeit und eine Stadt ihre eigene Qualität. Straßen, Häuser, der Klang der S-Bahntüren, der Himmel über Berlin.

Fünf technische Kriterien für ein poetisches Foto sind beispielsweise:

  • Das Licht entscheidet über das Foto.
  • Die Tiefenschärfe und der Fokus können das Augenmerk auf ein bestimmtes Detail richten.
  • Die Verschlusszeit bestimmt den Augenblick.
  • Das Korn des Films kann poetisch, billig oder glanzvoll wirken, jeder Film hat seine materialimmanenten Eigenschaften und Grobheiten.
  • Das Objektiv, Bokeh, Lensflares und Vignettierungen. Jedes geschliffene Glas wirkt anders, zeichnet die Ecken in einer eigenen Art und Weise, verzerrt und verzaubert.

Weniger ist oft mehr. Wenn es zu viele Informationen gibt, geht der Inhalt verloren. Wir helfen uns dann, indem wir nach etwas greifen, was wir verstehen. Ist dort Text, fangen wir an zu lesen. Sind dort zu viele Dinge erkennbar, landen wir sehr schnell beim „Was“ der Fotos und so wird es auch recht bald langweilig.

Himmel über Berlin. Fotos vom Blick nach oben: 

Finden wir dagegen nur wenige Informationen, neigt unser Inneres dazu viel hineinzuinterpretieren. Die Leere füllen, ordnen und Sinn geben. Das ist ein viel mehr lebendiger Prozess, der uns anregen kann und unserem Intellekt schmeichelt. Mit etwas Freiraum können die Dinge ihren eigenen Klang entwickeln und der Betrachter seiner persönlichen Resonanz lauschen. So gesehen sind poetische Fotos wie ein visuelles Konzert.

Abendlichter und nasse Straßen Berlins: 

Im Foto können wir als Betrachter unsere eigenen Empfindungen entwickeln, während wir im Gemälde viel mehr in die Welt des Künstlers geschickt werden. Für die Rezeption über einen Künstler ist es wichtig zu verstehen, was ihm wichtig war. Natürlich kann der Fotograf ebenfalls Gefühle in sein Werk einbeziehen. Anders als im gemalten Bild fließen die Gefühle des Fotografen beim Auslösen aber nicht so direkt und unmittelbar in das Bild. Es kann z.B. mit einem Selbstauslöser auch automatisch erstellt werden und ist beliebig oft reproduzierbar.

Novembergraue Fotos an einem verregneten Vormittag: 

Auf der Suche nach bunten Farben an einem Novembertag: 

Was die Gefühle im Foto angeht, ist anschließend der Betrachter gefragt. Nachdem das Foto im 19. Jahrhundert immer mehr an die Stelle des gemalten Portraits getreten war, ist der ganze Habitus rund um die Fotografie bis heute teilweise sogar ausgesprochen sentimental geworden. Fotos sind unsere Erinnerungen, Fotos sind Eitelkeit, Götzen, Projektionsfläche für Eros und Liebe: „Dies Bildnis ist bezaubernd schön…“

Schon Narziss betrachtete verzückt sein Abbild im Spiegel eines Baches.

„Man muss sich doch klarmachen, wie unchristlich und heillos eitel die Menschheit erst werden wird, wenn sich jeder für seine Goldbatzen sein Spiegelbild dutzendweise anfertigen lassen kann. Es wird eine Massenkrankheit von Eitelkeitswütigen ausbrechen, denn wenn sich jedes Gesicht dutzendweise verschenken und bewundern lassen kann, so macht das die Menschen gottlos oberflächlich und gottlos eitel.“ – Entsetzte Äußerung eines Zeitzeugen über das ‚neue‘ Verfahren der Daguerreotypie von 1841.

Aus unserer heutigen Perspektive, vor dem Hintergrund der digitalen Fotografie, wird die Entfremdung zwischen dem Fotografen und seinem Motiv ein bisschen aufgehoben, wenn man analog fotografiert. Oft fotografiert man dann achtsamer und langsamer. Ein Handabzug aus der Dunkelkammer, mit Kaffee entwickelt, ist tatsächlich auch ein Unikat und nicht einfach wieder genau gleich reproduzierbar. Spuren von Kratzern, Staub und Körnigkeit schaffen einen Eindruck von Zeit und Vergänglichkeit.

Ein verwunschener Spaziergang durch Neukölln:

Das Spiel mit der Materialität, das Eingreifen, die Überraschung und die Möglichkeit den bildschaffenden Prozess mitzugestalten macht für mich den Zauber der Fotografie aus. Und in diesem Sinne ist es für mich auch ein bisschen wie Malen und Zeichnen.

Hermannstadt im Winter

Sibiu, 8. Dezember.
Köln ab am 7. Dezember 1:15 mittags. München am frühen Abend des selben Tages überflogen; sollte eigentlich 2:20 ankommen, der Flug hatte aber eine halbe Stunde Verspätung.
Budapest scheint eine herrliche Stadt zu sein, soweit ich es aus dem Flugzeugfenster und in der kurzen Zeit, die mir beim Vorbeifliegen zur Verfügung stand, beurteilen konnte…

Bram Stokers Dracula war mir dieses Jahr atmosphärische Einstimmung für meine Reise nach Transsylvanien. Hier möchte ich jetzt meine wirklichen Eindrücke in einem kleinen Beitrag zusammenfassen. Vielleicht inspiriert es ja den einen oder anderen zu einem eigenen Besuch.

Ein erster Eindruck von Hermannstadt: 

Hermannstadt oder rumänisch Sibiu ist eine schöne alte Stadt am Rande der Südkarpaten. Vampire gibt es dort keine mehr, dafür Knoblauch überall. Getrocknet, zu wunderschönen Zöpfen gebunden, als Grundlage deftiger Fleischgerichte, in heißer Butter schwimmend ebenso beliebt wie sogar in der Mayonnaise: Überall findet sich die Wunderknolle. So müsste man schon sehr lüstern und verzweifelt sein, wollte man da heute noch auf vampireske Gedanken kommen. Hermannstadt ist also, soviel sei nun direkt verraten, nicht das Zentrum des Vampir-Kults – das wäre Schloss Bran. „Hermannstadt im Winter“ weiterlesen

Kafa Biosphärenreservat

Im Sommer 2013 war ich für vier Monate im Kafa Biosphärenreservat in Äthiopien, um dort bei einem Projekt vom NABU (Naturschutzbund Deutschland) mitzuhelfen. 

Eine große, sowohl weite wie auch lange Reise ist sehr eindrucksvoll: Dazu gehören besondere Begegnungen mit Menschen, kleinen und bunten Tieren und Pflanzen aber auch viele schöne Momente, neue Gedanken und Bilder, die einem nachklingen. Es macht Spaß stromaufwärts einfach immer weiter einem Fluss durch den Dschungel zu folgen, beim Wandern komische Blätter und Kräuter am Wegrand zu riechen oder während der Regenzeit ohne Strom nachts unter seinem Moskitonetz zu liegen und sich rundum 700 Quadratkilometer Wald vorzustellen – mit allem was darin lebt, wächst und zuhause ist… Es hat mir unglaublich gut gefallen und ich hätte nie gedacht, dass ich mich dort so zuhause fühlen könnte. 

Viele Informationen über Kafa, wie man dort hin kommt und was es dort alles zu entdecken gibt, finden sich auf der eigenen Webseite für das: Kafa Biosphärenreservat

Ein kurzes Video vom NABU mit Fotos aus Kafa kann man unter diesem Link bei Youtube sehen: Come to Kafa Biosphere Reserve

Hier ist jetzt eine kleine Auswahl mit Fotos aus dieser Zeit:

 

Titelfoto Analog Indien Caffenol Palolem Beach

Licht und Kaffee. Analoge Fotos aus Indien

Erfahrungen und Gedanken aus meiner experimentellen Laborküche auf Reisen. 

Übersicht meiner Filme für das Projekt in Indien

Inhaltsverzeichnis:

Reisen und Fotos gehören einfach zusammen. Speziell durch analoge Fotografie bekommen Erinnerungen in unserer digitalen Zeit eine ganz besondere Materialität, Poesie und eine fast schon haptische Wahrheit. 

In diesem Beitrag möchte ich meine analogen Fotos aus Indien zeigen und Notizen dazu niederschreiben: Gedanken über das Fotografieren, Kameras, die  verschiedensten Filme und wie ich mit Kaffee unterwegs in Indien in Hotelzimmern und Strandhütten Filme entwickelt habe und was mir dabei alles passiert ist. 

„Was ich sehe, ist nur ein kleiner Teil der Wirklichkeit. Alles ist Abstraktion. Schönheit entsteht erst in der Zuwendung“

Wie in einem Magazin soll diese Seite zum herumblättern einladen. Es ist nicht nötig all den Text zu lesen. Überfliegt einfach die Fotogalerien, schaut vielleicht einzelne Fotos genauer an und scrollt hin und her. Das Herzstück sind die mit Kaffee unterwegs entwickelten und direkt vor Ort eingescannten indischen Schwarzweißfotos. Interessant sind oftmals aber auch die Motive der Farbfilme und einfach wunderschön sind Licht und Farben der Diafilme. Auf das für jeden etwas dabei ist und auf das jeder etwas für sich mitnehmen kann. 

Erste Eindrücke von Mumbai. Mit Caffenol und Natron entwickelte Filme. Ein Spaziergang durch Colaba und erste Fotos aus dem Trubel und Gewusel des Bazar Distrikts: 

Reisefotos, wenn sie nur Orte dokumentieren sollen, sind schnell langweilig. Aber wenn sie mir etwas bedeuten, weil sie mich erinnern, weil sie etwas bestimmtes zeigen, dass mir aufgefallen ist, dann können sie interessant werden. Zeichnen und Fotografieren sind für mich deshalb das gleiche. Beides schafft einen Zusammenhang zwischen meinem Leben und den ganzen Ereignissen um mich herum. Beides ist ein Weg sich zu positionieren. 

Sightseeing in Mumbai – Ein Vormittag mit dem CineStill X-Pro 50 Daylight Film und der Zorki4K.

Im Foto wird der Augenblick zu Material. Und das Fotomaterial wird zum Zeitzeuge. Fotos sind immer auch eine Abstraktion und dadurch eine eigene Interpretation. Aber genau in dieser Materialität liegt auch ihre Schönheit. Die Vereinfachung, ausgewählte Details, kurze, flüchtige Momente, Eindrücke im Straßenleben können plötzlich fast ein bisschen sowas wie Ewigkeit und Wahrheit werden. Situationen werden herausgestellt, das Eigenleben der Dinge kann im Foto nachklingen.  „Licht und Kaffee. Analoge Fotos aus Indien“ weiterlesen

Atomenergie – Verstrahlte Fotos aus Tschernobyl

Die Sperrzone rund um das Atomkraftwerk von Tschernobyl ist mit 2600 km² etwas größer als das Saarland bzw. ziemlich genau gleich groß wie Luxemburg. Es ist ein riesiges Gebiet, welches an manchen Hotspots immer noch so verstrahlt ist, dass bereits wenige Stunden vor Ort für einen Menschen tödlich wären.
Neben diesen Hotspots ist ein mehr oder weniger vergnügtes Leben aber durchaus möglich. Die Natur hat inzwischen weite Teile des von den Menschen verlassenen Landes zurückerobert. Die Sperrzone ist fast wie ein Naturreservat und es gibt dort viele seltene Tierarten, Wölfe, Bären, wilde Przewalski-Pferde und sogar Seeadler.

Am Checkpoint Dytiatky beginnt die Sperrzone

Von Kiew aus habe ich eine Exkursion in das Sperrgebiet unternommen und viele Fotos gemacht.
Für die Strahlung hauptsächlich verantwortlich ist Caesium-137, welches das Gebiet mit der besonders durchdringenden Gammastrahlung (auch ​ɣ-Strahlung) radioaktiv verseucht.
Die meisten radioaktiven Stoffe liegen inzwischen unter einer etwa 30 Zentimeter tiefen Erdschicht begraben oder haben sich zersetzt. So ist die Strahlenbelastung für Besucher heute nur noch etwa 1 % des Wertes vom April 1986, direkt nach der Katastrophe. Wenn man 30 Bananen isst, bekommt man wahrscheinlich mehr Radioaktivität ab, als bei einem Tag in Tschernobyl.
Mein Dosimeter misst die aufgenommene, ionisierte Strahlung. Das ist vor allem die Gammastrahlung. Wie es speziell mit Alpha- und Betastrahlern aussieht, weiß man nicht – das Inhalieren oder Schlucken von radioaktivem Staub oder Wasser wäre jedenfalls ziemlich heftig. Freunde der Atomenergie vergessen oft gerne, dass es verschiedene Arten radioaktiver Strahlung gibt. Deswegen ist es auch nur die halbe Wahrheit, wenn man ein kontaminiertes Gebiet ausschließlich über die oberflächlich gemessene Hintergrundstrahlung definiert. Rund um Tschernobyl wird nirgends gebuddelt und alle Leitungen und Rohre nach der Katastrophe sind oberirdisch verlegt.
Ein Besuch der Sperrzone ist im Rahmen einer geführten Tour sehr gut möglich und wird als touristische Abenteuerreise von Kiew aus für etwa 100 $ angeboten.

Fotos meiner Fahrt nach Tschernobyl:

Nach dem passieren des ersten Checkpoints im Dörfchen Dytiatky kommt man in die 30-km-Zone. Hier sind bereits verstreut verlassene Ortschaften und Hausruinen zu sehen, während man auf langen geraden Straßen immer weiter in das überwiegend bewaldete Gebiet hineinfährt. Im Radius von 10 Kilometern um den havarierten Atomreaktor kommt dann der zweite Checkpoint. Heute arbeiten immer noch viele Menschen im Sperrgebiet und ganz aktuell wurde durch das französische Konsortium Novarka das „New Safe Confinement“, kurz NSC gebaut. Die 1,5 Milliarden Euro teure zweite Schutzhülle wurde neben dem Unglücksreaktor gebaut und dann über den mittlerweile maroden alten Beton-Sarkophag geschoben – eine ingenieurmäßige Meisterleistung.
Direkt neben dem havarierten Reaktorblock ist ein Denkmal und es gibt eine Mensa, wo man zusammen mit den Arbeitern Mittagessen kann.  „Atomenergie – Verstrahlte Fotos aus Tschernobyl“ weiterlesen

Fotografieren in der Stadt

Der Sonnenuntergang über Jersey City, Millionen Lichter, die nach und nach überall angehen, ein ständiges Rauschen der Stadt hier oben, aber auch der leichte Abendwind, der warme Luft durch die Gitterstäbe trägt – es ist schon sehr beeindruckend mitten in Manhattan hoch oben auf einem Wolkenkratzer zu stehen und es fällt mir schwer zu glauben, dass das alles wirklich ist.

Fast wie ein Schutz, als Anker um nicht abzuheben, ist es da ganz beruhigend sich mit seiner Kamera zu beschäftigen, aufs Handy und auf irgendwelche Knöpfe zu drücken…
Oben auf der Besucherterrasse des Empire State Buildings in New York habe ich nun vier Stunden verbracht und mir einige Gedanken zum Fotografieren in der Stadt gemacht.

Es wurde noch nie so viel fotografiert wie heute. Fotos kosten nichts, mit dem Handy hat jeder überall eine brauchbare Kamera dabei und natürlich will man die Eindrücke der Reise auch teilen und muss dafür „Trophäen“ sammeln. Mit Filtern und einfacher Fotobearbeitung kann man schließlich sogar aus eher bescheidenen Aufnahmen noch eine ganze Menge machen.

Schöne Aussicht genießen. Hier ein paar Fotos von Menschen, die schauen: 

Praktisch gibt es meiner Beobachtung nach drei Arten von Fotos, die man auf Reisen macht:

  1. Zum ersten sind da die „Schönen Fotos“. Schöne Fotos versuche ich so viele wie möglich zu machen. Das sind vor allem auch Experimente, das sind die Sehenswürdigkeiten, das typische, charakteristische. Das sind die Fotos, über die man sich am meisten freut.
  2. Einen weiteren Bereich machen die Fotos aus, die man für die Dokumentation braucht. Zum Beispiel das Hotelzimmer, das Essen, Exponate in einem Museum, etwas witziges, eigenartiges, was man sieht oder findet. Manchmal muss man auch einfach fotografieren, z.B. beim Besuch wichtiger Sehenswürdigkeiten mit Familie oder Freunden, an bemerkenswerten Orten, dabei ist das Licht aber oft gerade Mittags zu schlecht für wirklich schöne Fotos oder man hat keine Zeit für ein großes Aufheben.
  3. Schließlich gibt es noch die Fotos für eigene Projekte. Das sind Fotos, die man für ein bestimmtes Vorhaben braucht. Ich sammle beispielsweise abstrakte Formen und suche dadurch nebenbei immer wieder nach Mustern, Schatten, Oberflächen usw. Ebenso kann man aber auch z.B. alte Autos, interessante Zeichenmotive, Relikte einer vergangenen Zeit usw. sammeln.

Die Schönheit und Größe eines Augenblicks entsteht oft erst in der Resonanz, im Nachklang, in der Erinnerung und im bittersüßen Schmerz – dass es nun vorbei ist. Irgendwie sind wir alle schon fürchterlich sentimental! Wenn ich mich hier oben über New York so umsehe, im Hier und Jetzt, ist jeder ziemlich für sich. Aber durch das Teilen, mit Menschen, später, kann man den Eindrücken Großartigkeit geben und wenn man davon berichtet, durch Fotos und Geschichten, werden die Dinge in ihrer Schönheit vielleicht greifbarer.

Einige der anderen Besucher um mich herum haben übrigens eine sehr gute Ausrüstung. Nicht nur Handys: So mancher hat große, schwere Objektive und macht keine Einzelaufnahmen, sondern schnelle Reihen mit 7-8 Fotos bei jedem Auslösen…

An die ersten Eindrücke einer neuen Stadt erinnert man sich oft noch Jahre später. Hier ein paar Fotos von meinem ersten Spaziergang in Chicago: 

Gerade frisch in einer neuen Stadt angekommen, ist es oft in den ersten Tagen besonders aufregend und es gibt vieles zu entdecken. Mit dem ungetrübten Blick des Gastes ist man überaus empfänglich. Eigenarten, Besonderheiten und Charakter des noch unbekannten Ortes saugt man förmlich auf. Man will sich ein eigenes Bild machen und gerade an die ersten Tage kann man sich oft auch noch Jahre später sehr lebhaft erinnern. Die ersten Kontakte mit Menschen – der Immigration Officer, die Frau, welche einem den Weg zur U-Bahn gezeigt hat, das erste Zimmer und der erste Spaziergang. 
Fotos sind dabei sehr wichtig. Sie sind wichtig für unsere Erinnerung, zum Teilen und durch die Sicherheit, die sie uns vermitteln. Fotos bleiben. Durch das Fotografieren kann man Bezüge zwischen der Stadt und sich selber herstellen. Während man gerade noch mit Jetlag und übermüdet eher halb wie im Traum durch die Straßen wandelte, schaffen Fotos dazwischen kurze helle Momente der Präsenz. Wir halten inne, öffnen uns und richten unseren Blick auf etwas bestimmtes. Durch das Fotografieren positionieren wir uns. „Fotografieren in der Stadt“ weiterlesen

Kap Finisterre, am Ende der Welt

Pilgern

Pilgerzeit auf dem Camino del Norte

Pilgern auf dem Küstenweg

Von Bilbao bis Santiago de Compostela sind es 663 Kilometer. Bis ans Ende der Welt, bis zum „Kap Finisterra“ sind es dann noch einmal 90 km. Insgesamt also 750 Kilometer.
Diesen Sommer habe ich mich zu Fuß auf den Jakobsweg gemacht. Im Schnitt läuft man als Pilger mit Gepäck 25 Kilometer am Tag. Nach 33 Etappen war ich angekommen.

„Pilgern“ weiterlesen

Rundgang durch Venedig

Mit diesem Rundgang durch Venedig möchte ich einen kurzen Gesamteinblick in die Stadt geben, ab und zu kleine „Stärkungsmöglichkeiten“ bieten und neben dem „normalen“ Touristenprogramm auf einige ausgewählte Besonderheiten aufmerksam machen:

Überblick Rundgang Venedig: San Marco, San Giovanni e Paolo, Rialtobrücke, Fischmarkt, Ponte delle Tette, Campo San Polo, Frarikirche, Accademia, Salute und vieles mehr …

Inzwischen ein echter Klassiker auf meiner Website: Der Stadtrundgang durch Venedig.

Wer möchte, kann parallel zum Rundgang der Route mit Google Maps folgen. Unter diesem Link wäre meine Karte dazu: Google Karte Rundgang durch Venedig

Um den ungetrübten Ablauf des Rundganges zu gewährleisten, sollte Folgendes beachtet werden:

  • Der Rundgang dauert einen ganzen Tag lang. Er lässt sich jedoch auch gut in einzelne Spaziergänge aufteilen. Der Weg von der Frarikirche bis zur Salutekirche ist am schönsten nachmittags.
  • Da man sich in Venedig meistens in einer künstlerisch geprägten Atmosphäre bewegt, sollte man dem Stilempfinden der Venezianer durch geschmackvolle Kleidung und freundliches Benehmen entgegenkommen. Bequeme Schuhe sind jedoch unerlässlich.
  • Neben diesem Rundgang möchte ich alle ermuntern, Venedig auf eigene Faust zu entdecken. Schöne Ziele solcher Streifzüge könnten beispielsweise an die Peripherie der Stadt führen. Eine eher kurze Tour würde vom Bahnhof über das Ghetto und bis ins hinterste Cannaregio zur Chiesa Madonna dell’Orto führen. Einen ganzen Tag kann man schließlich in Castello verbringen. Hier wäre ein mögliches Ziel, über die Via Garibaldi bis auf die kleine Insel San Pietro di Castello vorzudringen.

Als Hilfe durch das Labyrinth Venedigs mag vielleicht dieses kurze Glossar dienen:

Calle – Gasse
Campo – Platz
Campiello – Kleiner Platz
Rio terra – Eine Strasse über einen zugeschütteten Kanal
Sotoportego – Hausunterführung als Teil einer Gasse
Salizzada – Hauptstrasse eines Stadtteils

Morgenlicht auf dem Markusplatz 

Los geht es unter dem Uhrenturm auf dem Markusplatz.
Der Uhrenturm ist für seine Zeit ein technisches Meisterwerk mit vielen einzigartigen Funktionen. Wer mehr Zeit hat, kann ihn auch im Rahmen einer Führung besichtigen, was sich allein wegen der fantastischen Aussicht sehr lohnt. Termine, Karten und Infos dazu gibt es im Museo Correr, dem Städtischen Museum von Venedig gerade auf der anderen Seite des Markusplatzes.
Einen einfachen Espresso, Caffè Lungo oder Cappuccino für den Start findet man auf dem Markusplatz in der American Bar. Richtig stilvoll und oft mit Livemusik wäre es im Caffé Florian, in Italiens ältestem Kaffeehaus unter den Arkaden schräg gegenüber.

Seufzerbrücke

Den Markusplatz verlassen wir nun mit gewandten Schritten quer durch die Menschenmenge in Richtung Wasser. Ist die Insel San Giorgio mit gleichnamiger Palladiokirche und Turm vor uns, geht es nach links weiter, das Ufer entlang und über zwei Brücken. Von der ersten dieser Brücken sieht man links die „Seufzerbrücke“.

Überflutete Krypta San Zaccaria

Nach der zweiten Brücke geht es vor dem kleinen Tabak & Souvenirgeschäft vom Wasser weg, nach links in den Sotoportego S. Zaccaria. Nach wenigen Schritten geradeaus steht am Campo San Zaccaria rechts die Kirche, nach welcher der Platz seinen Namen bekommen hat: San Zaccaria. In der Kirche ist auf der linken Seite das vielleicht schönste Renaissance-Gemälde überhaupt, die „Sacra Conversazione“ des berühmten venezianischen Malers Giovanni Bellini. Es gibt auch eine sehenswerte romanische Krypta.

Aus der Kirche immer geradeaus verlassen wir den Platz, gehen durch den Backsteinbogen, überqueren den Campo San Provolo und steigen über die Brücke, hinter welcher sich links die Trattoria Rivetta befindet. Den Hunger verkneift man sich aber noch kurz und geht lieber in die grüne Eckbar am Campo San Filippo (Bar Verde), wo es einen guten Cappuccino mit großer Milchmütze gibt. Auch einige Tramezzini (Sandwiches) sind empfehlenswert. Zu beachten ist allerdings, dass sich die Preise (wie fast immer in Venedig) deutlich erhöhen, wenn man nicht an der Bar bleibt und sich an einen der Tische setzt.
Frisch gestärkt, geht es über den Platz weiter, rechts, nach der Apotheke in die Calle Rimpeto la Sacrestia. Die zweite links gehe man nun durch die Calle a Fianco la Chiesa und gerät dann auf den Campiello novo San Giovanni in Oleo, wo links eine Barokkirche ist, in welcher manchmal Ausstellungen zu sehen sind. Am Ende des Platzes führt unser Weg rechts durch eine dunkle Unterführung, nach deren Verlauf man an einem etwas finsteren Kanal entlang kommt. Bemerkenswert ist, dass hier jeder Hauseingang eine eigene Brücke hat und ich frage mich immer, ob der große Blumenstrauß im Hotel Ca‘ Dei Conti wirklich echt ist…

Am Ende der Fondamenta Rimedio kommt nach der Brücke rechts der Campiello Querini Stampalia. Die Bibliothek Querini Stampalia  ist im früheren Wohnhaus der bekannten Familie und hat eine öffentlich zugängliche Sammlung wissenschaftlicher Werke.

Am Campo S.M. Formosa und im Palazzo Grimani

Hat man das Plätzchen schräg nach links hinter sich gebracht, kommt der Campo S.M. Formosa. Der Platz ist gemütlich zum sitzen und in den wärmeren Monaten lädt er dazu ein, draußen einen „Spritz“ oder Cappuccino zu trinken.

Der Rundgang geht weiter in die geschäftige Calle Longa S. Maria Formosa, direkt neben dem Hotel Scandinavia. Kurz vor dem Ende dieser Gasse ist links die Libreria Acqua Alta, wo man alte und neue Bücher, Postkarten und Andenken kaufen kann.
Ein paar Schritte zurück, vor der Bücherei, geht die sehr enge Calle Bragadin o del Pinelli ab. Durch diese schmale Gasse hindurch kommt man auf die Eisenbrücke Ponte dei Conzafelzi. Hier ist ein guter Blick über die Kanäle und auf den Palazzo Tetta, der fast vollständig von Wasser umgeben scheint. Über die Brücke und an der Fondamenta dei Felzi rechts kommt man schließlich immer geradeaus direkt auf den schönen großen Campo San Giovanni e Paolo.

Eine sonnige Pause am Campo San Giovanni e Paolo

Die große gotische Backstein-Basilika Santi Giovanni e Paolo (venezianisch Zanipolo) ist von innen fast noch mächtiger, als sie von außen aussieht. Es sind hier mehrere Dogengrabmäler und Plastiken zu finden. An sonnigen Tagen entstehen durch die bunten Glasfenster oft farbige Muster auf dem Kirchenboden.
Mitten auf dem Campo San Giovanni e Paolo steht ein protziges Reiterstandbild. Hier wird an den Söldnerführer Bartolomeo Colleoni erinnert, der nach dem Tod 1484 sein ganzes Vermögen (fast eine halbe Millionen Dukaten) dem Staat Venedig vermachte, der das Geld auch gerne annehmen wollte. Als Bedingung forderte Colleoni allerdings, dass ihm „auf der Piazza vor San Marco“ eine Statue errichtet wird. Die typisch venezianische Lösung war, dass man schließlich, um das Geld zu bekommen, die Statue zwar in Auftrag gab, sie dann aber auf dem Platz vor der „Scuola di San Marco“ aufstellte, da man sich den Anblick Colleonis auf dem Markusplatz lieber ersparen wollte.
Hinter dem dreidimensional anmutenden Renaissance-Wandschmuck an der Fassade der Scuola di San Marco ist schon seit Längerem das städtische Krankenhaus. Auch ohne körperliche Leiden kann man eintreten und die frisch restaurierte Eingangshalle beäugen. Im ersten Stock ist die „Sala Capitolare“ mit einer fantastischen Decke und ein kleines Museum über die Geschichte der Medizin.
Die Konditorei Rosa Salva direkt am Platz ist für ihre Köstlichkeiten in ganz Venedig berühmt. Es gibt ausgezeichnete Süßigkeiten und guten Espresso, wer eine Stärkung braucht.

Der Rundgang führt links am Ende des Platzes ein bisschen am Kanal entlang und dann über die Brücke in die Calle de le Erbe. Hier findet sich oben an der Hauswand eine kleine Überraschung.
Das Schild „Ultimo Numero del Sestier de Cannaregio“. Venedig ist nicht wie andere Städte in Stadtviertel gegliedert sondern in Sechstel, die sogenannten „Sestieri“: San Marco, Castello, Cannaregio, Santa Croce, San Polo und Dorsoduro. Innerhalb dieser Stadtsechstel wurden zu Napoleons Zeiten alle Häuser durchnummeriert. Man sollte aber nicht denken, dass man eine normale, moderne, sachliche Reihenfolge findet. Es kann zum Beispiel passieren, dass eine Hausnummer auf einem Fenster steht, wahrscheinlich war dort früher einmal eine Tür. Auch wenn es für die Post funktioniert: Suchen Sie nie eine Adresse nach der Hausnummer! Die einzelnen Calle, Fondamente, Viale etc. haben eigene Namen, welche meistens auf Geschehnisse, Berufe oder Persönlichkeiten zurückzuführen sind. Fast immer steht der Name der Gasse am Anfang oben an einer Hauswand in venezianischem Dialekt, sodass kein Grund zur Verblüffung vorliegt, wenn man in seinem Stadtplan eine etwas andere Bezeichnung findet. Aus dem Schild ist also ersichtlich, dass hier das Sestiere Cannaregio endet. Der Platz Zanipolo, wo wir gerade waren, liegt bereits in Castello, welches das größte Sestiere ist.

Am Ende der Calle de le Erbe kommt man über die kleine aber breite Brücke auf die Fondamenta van Axel, wo auf der rechten Seite der Palazzo Soranzo van Axel mit seiner schönen Holztüre zu sehen ist.

Anstatt nach rechts, gehen wir aber links über die Ponte del Cristo und immer weiter geradeaus bis zum Campo Santa Marina. Hier gibt es einen Supermarkt und die Pasticceria Bar Didovich, falls es einen nach Caffè lungo, Cappuccino oder feinem venezianischen Gebäck gelüstet.

Unser nächstes großes Ziel ist die Rialtobrücke. Deshalb können wir nun im Prinzip einfach immer weiter den gelben Schildern „Per Rialto“ folgen und gehen quer über den Platz nach links in die Calle del Frutariol, dann rechts durch die Calle Malvasia, bei der Osteria wieder links durch die Calle del Pistor, und über die Brücke schließlich immer geradeaus, bis wir auf den kleinen, aber sehr belebten Campo San Lio kommen.

Weiter Richtung Rialto geht es an der Apotheke vorbei durch die Calle al Ponte S. Antonio und über die Brücke. Im dunklen, engen Sotoportego de la Bissa gibt es eine meiner Meinung nach zu süße und etwas teure, aber bei vielen Touristen beliebte Eisdiele. Herzhaft wäre ein Snack nur wenige Schritte weiter durch die Calle della Bissa, im Durchgang vor dem Campo San Bartolomeo, wo man in der Rosticceria Gislon eine knusprige warme Mozzarella in Carrozza essen könnte.

Am Rialto. Hier ist immer viel los, Gewusel, Geschäfte…

Der Campo San Bartolomeo mit dem Goldonidenkmal ist direkt am Fuß der Rialtobrücke. Das ist eine der Hauptsehenswürdigkeiten Venedigs. Hier, mitten im alten wirtschaftlichen Zentrum Venedigs, ist immer sehr viel los. Nach einer Stärkung müssen wir uns mitten in das Gewusel und über die Rialtobrücke drängen … Geht man nach der Rialtobrücke jedoch direkt wieder rechts auf die Naranzaria und verlässt die Haupteinkaufsstraße, kann man ein wenig am Canale Grande innehalten und kommt immer weiter dem Ufer folgend, zwischen vielen Bars und Lebensmittelläden, über den Gemüsemarkt bis zur großen Halle des Fischmarkts. Vormittags kann man hier den verschiedensten Meeresbewohnern beim Krabbeln, Zucken oder Auf-dem-Eis-Liegen zusehen.

Auf dem Fischmarkt – Mercati di Rialto

Direkt neben der Halle des Fischmarkts geht der Rundgang über die Brücke und noch ein bisschen weiter am Canale Grande entlang. Hier, von der Riva de l`Ogio ist die beste Sicht auf die prächtige Fassade der Ca`d`Oro, einem der schönsten Paläste am Canale Grande. Am Ende der Riva gehen wir nach links in die Calle del Campaniel und laufen dort „sempre dritto“ immer geradeaus, bis auf den kleinen Campo San Cassan, wo man sich nach rechts wendet.
Quer über den Platz gelaufen, kommt links eine Brücke und der Sotoportego de Siora Bettina (man beachte die Schreibweise: signora = siora). Hier ist links das ordentliche und nicht so teure Restaurant Osteria Nono Risorto, wo man im Sommer auch schön draußen sitzen kann.

Nach dem Sotoportego geht es ein gutes Stück die links liegende Calle de la Regina entlang, immer weiter bis zum Ende, und rechts auf den Ramo de l`Agnella. Nach der kleinen kurzen Gasse kommt auf der linken Seite der Fondamenta de l`Agnella, dem man entlang des Kanals folgt, bis es vor der kleinen Brücke am Ende wieder links in die Calle de l`Agnella geht. Durch diese enge Gasse geht man direkt auf die berüchtigte Ponte de le Tette zu, welche früher das Zentrum des venezianischen „Rotlichtviertels“ war.

Rio de San Aponal

Das Gebiet Carampane um die Ponte delle Tette scheint wie aus der Stadt heraus zu fallen. Hier ist es merklich ruhiger, man befindet sich zwischen den großen Einkaufsstraßen, die zum Rialto führen und alles wirkt plötzlich still und zeitvergessen.
Zur Zeit der Renaissance ab etwa 1422 wohnten und arbeiteten hier im Gebiet Carampane vor allem Prostituierte. Auf der Ponte delle Tette, in den Fenstern der angrenzenden Häuser und am Ufer neben der Brücke durften sie ihre Brüste unverhüllt präsentieren und Freier anlocken. Generell gab es für Prostituierte in Venedig strenge Vorschriften und Auflagen. Kleidung, Schmuck, Unterkunft … Alles wurde geregelt. Versuche, die Prostitution in Venedig einzudämmen, waren vor allem in der Zeit des Karnevals jedoch nicht wirklich erfolgreich. Von den Huren dieses Gebiets zu unterscheiden, sind die Kurtisanen, welche sehr viel mehr Ansehen besaßen, wohlhabende Freier hatten und oftmals auch berühmten Malern Modell saßen.

Nach der Ponte delle Tette geht es kurz rechts am Canal entlang und dann links auf den Rio Terà de le Carampane. Durch die nächste kleine Gasse auf der rechten Seite kommt man schräg über den Campiello Albrizzi und links in die Calle Stretta. Dieser Teil von Venedig scheint wie ein Labyrinth. Hier kann man sich nun immer weiter durch den Sotoportego de la Furatoa entlang des verwunschenen Rio de San Aponal, über die Brücke und dann rechts durch die kleinen Gassen bis zum Campo San Polo schlängeln.

Campo San Polo

Der Campo San Polo ist der zweitgrößte Platz in Venedig. Hier gibt es einen Brunnen, um Trinkwasser aufzufüllen, oft spielen Kinder und man kann schön auf den Bänken ausruhen und die Leute und Tauben betrachten.

Über den Platz geht es links hinter der Kirche auf die geschäftige Salizada S. Polo, der wir immer weiter geradeaus über die Ponte San Polo und bis in die Calle dei Saoneri folgen. Hier ist nach wenigen Metern rechts der kleine unscheinbare Sottoportego del Luganegher, durch den man gerade, über den Corte und dann links auf dem Rio Terà bis zur Frari Kirche gehen kann.

Die Frarikirche ist wirklich besonders sehenswert. Das Triptychon von Bellini in der hinteren Seitenkapelle sollte man bei einer Besichtigung auf keinen Fall verpassen.

In der Frari Kirche

Weiter geht es an der Kirche vorbei Richtung Scuola Grande di San Rocco. Wer sich nach einer kleinen süßen Stärkung sehnt, findet in der Gelateria Millevoglie gleich hinter der Frarikirche übrigens auch ganz ausgezeichnetes Eis.
Die Scuole in Venedig sind etwa mit den mittelalterlichen Zünften oder mit den Freimaurerlogen vergleichbar. Die Mitglieder waren meistens reiche, aber nie adelige Bürger, welche entweder einer Minderheit zugehörig waren oder den selben Beruf gemeinsam hatten. Alle Scuole hatten einen Schutzpatron und eine angrenzende Kappelle. Sie widmeten sich wohltätigen Zwecken und manche unterhielten Spitäler oder Waisenhäuser. Zwischen dem 15. Und 18. Jahrhundert wurden die Scuole sehr reich. Im gegenseitigen Wettstreit um die schönsten Gebäude, engagierten sie oft sehr berühmte venezianische Baumeister und Maler. Zu Ende war es mit den Scuole nach dem Sturz der Republik.

Hinter der Scuola di San Rocco und auf dem Campo Santa Margherita

Um den Rundgang fortzusetzen, gehen wir links neben der Scuola in die Calle Fianco de la Scuola, am Ende rechts die paar Stufen hoch unter die Säulen und links über die Brücke und durch die Calle della Scuola. Am Ende der Gasse links und dann die nächste Möglichkeit wieder rechts, kommen wir immer weiter geradeaus, bis auf den Campo San Pantalon, den man schräg nach rechts auf die Brücke zugehend überquert. Abends ist diese Brücke ein beliebter Treffpunkt und man sieht immer viele junge Leute zusammen sitzen und erzählen. Ist man über die Brücke gegangen, kommt nach wenigen Schritten der große Campo Santa Margherita.

Auf diesem bunten Platz herrscht immer viel Leben. Früher gab es hier auch einen eigenen Fischmarkt, darum ist auf dem zentralen Gebäude eine Tafel mit den Mindest-Größenangaben von verschiedenen Fischsorten. Darunter durfte man keine Fische verkaufen, was eine Art Qualitätssicherung in Venedig war. Nachdem im Januar 2020 der vorletzte Fischhändler mit 75 Jahren in Rente gegangen ist, gibt es jetzt nur noch einen einzigen Stand um Fische zu kaufen. Wenn man sieht wie allein der große Fischmarkt am Rialto in den letzten Jahren immer kleiner wurde, ist es wahrscheinlich, dass der Fischmarkt am Campo Santa Margherita auch bald nur noch Geschichte sein wird.

Umgeben ist der Campo Santa Margherita von sehr vielen Bars, Restaurants und Cafés. Das „Caffé Rosso“ mit dem roten Eingangsbereich scheint immer sehr voll und beliebt. Hier gibt es auch eine gute Auswahl mit Alternativen zum klassischen Aperol Spritz: Select, Cynar oder Campari.

Blick von der Ponte dei Pugni auf den Rio de S. Barnaba

Nach der Pause geht es über den Platz weiter, schräg nach links Richtung Accademia auf den Rio terra`Canal. Am Ende dieses zugeschütteten Kanals hat man von der rechts liegenden Brücke einen schönen Blick. Der Kanal scheint luftig, voller kleiner Boote und links ist sogar ein Schiff, auf dem man direkt gutes Obst und frisches Gemüse kaufen kann. Am Schiff vorbei kommen wir auf den Campo S. Barnaba, dessen Eindruck hauptsächlich von einem riesigen Gebäude mit der Aufschrift D.O.M. geprägt wird.

Nach rechts geht es quer über den Platz und durch den Sotoportego del Casin del nobin. Nach der folgenden Brücke läuft man entlang des Rio de la Toletta, wo es auch einen erfrischenden Trinkwasserbrunnen gibt. In der links liegenden Libreria alla Toletta sind oft reduzierte Bücher zu bekommen. Braucht man aber Werke speziell zu Venedig, geht man am besten in die Libreria Editrice Filippi in der Calle Paradiso bei S.M. Formosa. Am Ende des Fondamenta geht es links in Richtung Accademia.
Selbst wenn man eigentlich keinen großen Hunger verspürt, sollte man nun ernsthaft in Erwägung ziehen in der Bar alla Toletta ein paar Tramezzini zu schmausen. Sie sind wirklich ausgezeichnet, immer frisch und es gibt eine gute Auswahl.
Nach der Ponte delle Maravegie geht man nach links und kommt nach der zwangsläufigen Rechtsbiegung in die Calle Contarini Corfù.

Die Gasse verläuft schräg nach links und mündet in die Calle Gambara, durch welche man auf den Campo della Carita` kommt, direkt zu Füßen der großen Accademia-Brücke. Nur ein paar Stufen die große Accademia-Brücke hinauf gibt es einen sehr guten Blick auf den Canal Grande und die Salute Kirche, ein sehr beliebtes Fotomotiv…

Blick von Ponte dell’Accademia auf den Canal Grande

In der Galerie der „Accademia“ sind in riesigen Sälen viele Bilder der alten venezianischen Künstler zu sehen. Der Rundgang geht weiter rechts an der Brücke vorbei, auf den Rio Terrà Foscarini und in der ersten Gasse links immer weiter geradeaus. Hinter der Brücke haben wir nun den Campo San Vio vor uns, auf welchem mehrere Bänke mit Blick auf den Canal Grande zum Verschnaufen einladen. Besonders mit schweren, harten Schuhen bekommt man auf dem Pflaster Venedigs rasch Rückenschmerzen.

Weiter geht es in die Calle della Chiesa. Auf der Fondamenta venier dai Leoni, welche daran anschließt, stehen oft Maler, um ihre Bilder zu verkaufen. Am Ende der Fondamenta muß man sich nach links wenden. Hier befindet sich die sehr sehenswerte Peggy-Guggenheim-Collection mit moderner Kunst.

Fußboden in der Salutekirche

Nach der Calle und der Brücke Ponte San Cristofolo kommt der Campiello Barbaro, der an die Rückseite des verwunschenen Palazzo Dario anschließt. Der Palazzo Dario hat eine wunderschöne Fassade, seine Geschichte ist jedoch überaus dramatisch: Fast alle Eigentümer sind durch Suizid oder Schicksalsschläge ums Leben gekommen.
Links gehen wir um die Gartenmauer des Palastes herum in die Calle und auf den Ramo Barbaro. Dann immer gerade über die Brücke und durch die Calle. Nach der Calle San Gregorio und dem kleinen Campo mit der schlichten Backsteinkirche gehen wir links in die Calle und durch den Sotoportego de`l`Abazia. Schließlich kommt nach der kleinen Holzbrücke endlich der luftige Campo della Salute direkt am Canale Grande. Hier könnte der Rundgang enden.

Ist die wirklich sehenswerte Chiesa Santa Maria della Salute mit ihrem großartigen Mosaikfußboden gerade geschlossen, hat man trotzdem eine ausgezeichnete Aussicht über den Canal Grande und in Richtung San Marco.
Zurück zum Ausgangspunkt auf den Markusplatz kommt man am einfachsten mit dem Vaporetto der Linie 1, direkt am Fuß der Salute Kirche. Es gibt auch eine Traghetto-Gondel (Station: Dogana), welche aber leider nur selten fährt.
Wer noch Kraft hat und ein bisschen weiter gehen möchte, kann immer am Canal Grande bis ganz vor, um die Spitze der Dogana herum und am schönsten im Abendlicht bis zur nächsten Vaporetto Haltestelle die Zattere entlang flanieren.