Straßenfotografie in Paris

Um eine fremde Stadt kennenzulernen, gehe ich am liebsten spazieren. Auf den Straßen, in der Metro, auf Plätzen und in Parks sieht man die Menschen, erlebt die einzigartige Architektur und findet all die Besonderheiten, die schließlich das eigene, selbst gewonnene Bild der Stadt ausmachen.

Millionen Touristen fotografieren jedes Jahr Paris. Es ist eigentlich nicht nötig, noch mehr Fotos von der Stadt zu machen. Es gibt fantastische Bildbände, Kalender, Poster und Postkarten. Aber so wie etliche Fotografen vor mir bin auch ich gerne in Paris. So wie die meisten anderen Besucher mit ein paar Tagen Zeit, mit Hotelzimmer und gutmütiger Urlaubskasse, habe auch ich einen touristischen, privilegierten Blick. Aber ich glaube durch diese Distanz und Muße, weil ich nicht so richtig dazugehöre, erlebe ich auch den besonderen Charme von Paris auf meine eigene Art.
Es ist eine prickelnde Leichtigkeit, Weltoffenheit und so ein unternehmungslustiger Optimismus, den die Stadt ausstrahlt. Die Luft scheint duftiger, die jungen Frauen anmutiger, die Bäckereien feiner und die Straßen lebendiger als anderswo. Ein bisschen davon möchte ich versuchen, in diesem Beitrag wiederzugeben.

Dieses Portfolio soll in mehreren kleinen Galerien eine Auswahl mit besonders geglückten analogen Fotos aus Paris zeigen. Sozusagen meine besten Bilder aus mehreren Aufenthalten. Sommer, Herbst, Frühling … Alles auf Film fotografiert und überwiegend mit meiner Lieblingskamera, der Zorki 4K. Aber auch die legendäre LOMO LC-A und die feine kleine Rollei 35 haben ihre eigenen Galerien beigetragen. Die Schwarz-Weiß-Filme  sind dabei teilweise sehr experimentell selbstentwickelt: mit Kaffee stundenlang gepusht oder auch mehrfach entwickelt und gebleicht. So finden sich hier für Freunde der analogen Fotografie manchmal auch Hinweise auf den Film und was ich damit gemacht habe.

Ich empfehle, einfach über die Galerien zu fliegen und nur einzelne Bilder in groß anzuschauen. Paris ist eine riesige Stadt und ein unerschöpflicher Quell an Eindrücken, Situationen, Düften, Geräuschen und Straßenszenen. So wie man sich manchmal in der Stadt überfordert fühlt, ist es auch hier viel zu viel, was man sich ansehen könnte. Es sind über 100 Fotos: Louvre, Montmartre, Eiffelturm, Straßen, Parks, Menschen, Frühling, Sommer, Herbst … Es reicht in Ruhe durch den Beitrag zu scrollen, vielleicht bleibt manchmal der Blick hängen. Am Ende wird man einen eigenen und vielleicht auch neuen Eindruck von Paris bekommen haben.

Auftakt erstes Foto, neuer Film. Ankunft in Paris. Brücke über die Gleise am Gare de l’Est

In einer großen und alten Stadt wie Paris kreuzen sich viele Wege. Besonders im kulturellen Bereich ist Paris ein führendes Zentrum und neben New York und London eine der wichtigsten „Global Citys“ der Welt. Solche Orte, wo viele Ströme zusammenfließen, sind spannend und pulsieren vor Leben und Energie.

„Wenn der liebe Gott sich im Himmel langweilt, dann öffnet er das Fenster und betrachtet die Boulevards von Paris.“ – Heinrich Heine

Ein neuer Tag, sonniger Morgen in Paris. Bei einem Spaziergang entlang der Seine bekommt man einen schönen ersten Eindruck von der Stadt.

Es macht Spaß mit Lieblingskamera und frisch eingelegtem Film durch die Straßen zu schlendern oder im Cafe zu sitzen und von einem kleinen Bistrotisch aus die Menschen zu beobachten.

Street Photography mit der Zorki 4K. 

Paris ist in vielerlei Hinsicht einmalig. Die Pariserinnen sind elegant, lässig, mit wuscheligen Haaren, schicken Outfits, und obwohl sie alle so cool aussehen, duften sie auch noch zauberhaft und wirken sehr feminin und zart. Es ist unmöglich, an den Bäckereien vorbei zu laufen, und wenn man eintritt, kommt man ganz bestimmt mit mehr Eclairs, Törtchen, Croissants und Baguettes heraus, als man ursprünglich wollte. Alles ist so schön und lecker … Die Straßen sind wie eine Bühne und Jung und Alt flanieren die Boulevards entlang und entspannen in den Parks. Es gibt viele Cafés und unkomplizierte Restaurants. Manche dieser Pariser Qualitäten klingen wie ein Klischee, aber vor allem im direkten Vergleich mit anderen Großstädten ist Paris doch trotz seiner Größe eine eher entspannte und angenehme Stadt und gut zu Fuß zu entdecken.

Direkt vor dem Louvre liegt die Brücke Pont des Arts. An einem sonnigen Sommerabend am Ufer der Seine scheint alles nochmals leichter, lockerer und unbeschwerter. 

Fast 10 Millionen Besucher kommen jährlich zum Louvre, die schönen Künste betrachten. Es ist das größte und meistbesuchte Kunstmuseum der Welt. Vor der Glaspyramide am Haupteingang machen täglich Hunderte ein Selfie. Und auch abends, wenn das Museum geschlossen ist, finden sich hier viele Menschen zum Rollschuhfahren und für Spaziergänge durch die Stadt, zum nahe gelegenen Seine Ufer oder den Jardin des Tuileries.

Für den Louvre habe ich mir ein besonderes Experiment überlegt. Mit hochempfindlichem Film und der kleinen Rollei35 begab ich mich auf Entdeckungsreise. In Innenräumen und ohne zusätzliche Beleuchtung ist es normalerweise schwierig, aus der Hand zu fotografieren. Diesen Film habe ich anschließend über zwei Stunden in Caffenol entwickelt. Standentwicklung wirkt ausgleichend. Um das Ganze noch etwas mehr zu pushen, habe ich das Entwicklungsdöschen nach einer Stunde einmal bedächtig geschüttelt.

Ein Tag im Louvre, mit Caffenol hochgepushter Schwarzweißfilm: 

An einem der ersten Frühlingstage habe ich einen Abendspaziergang durch Paris gemacht. Mit Langzeitbelichtungen, Funkelnden Blendensternen und vielen Farben. Es ist ein besonderer Farbfilm, Color Mission 200 von Adox, den ich hier mit der Zorki Kamera in Paris ausprobieren wollte. 

Europas größte Bürostadt „La Défense“, das Hochhausviertel im Westen von Paris, wirkt während der Arbeitszeit, wenn alle Menschen am Schreibtisch sitzen, wie ausgestorben.

Das Pariser Büroviertel La Defense mit der Lomo Kamera. 

Vormittags bin ich über leere Plätze und einsame Brücken gewandert. Nur ein paar Tauben gurrten auf der Treppe des Grande Arche.

Mit der Zorki und dem schönen Street Candy Film habe ich mir Europas größte Bürostadt, das Hochhausviertel La Défense im Westen von Paris genauer angeschaut. 

Ab 12 Uhr strömen plötzlich überall Menschen aus den Bürotürmen. Foodtrucks verteilen kleine braune Papiertüten mit Essen aus aller Welt: Exotische Caribic Bowls, gesunde Salädchen, deftige Burger… Für jeden ist etwas dabei und innerhalb weniger Minuten verteilen sich tausende gut gekleidete Menschen über die Plätze, um Brunnen und Wasserflächen, auf Treppenstufen und Parkbänke. Überall wird entspannt aber dennoch sehr manierlich und rücksichtsvoll gepicknickt, Boule gespielt oder mit den Kollegen geplauscht.

Die Japan Bridge von dem japanischen Architekten Kisho Kurokawa zwischen den Hochhäusern im Büroviertel La Defense.

Mittagspause im Büroviertel La Défense. Diesen stark unterentwickelten Schwarzweißfilm (JCH StreetPan 400) habe ich anschließend vielen unterschiedlichen digitalen Prozessen ausgesetzt: Mehr Kontraste, künstliche Farben und Filter wurden hinzugefügt.
So bilden die Fotos einen eigenartigen Gegensatz zur modernen Architektur und Effizienz der hochspezialisierten Menschen, die hier arbeiten. Einerseits wirken sie altmodisch, andererseits sind sie durch den übertriebenen Prozess, dem sie ausgesetzt wurden, eine  Metapher für das komplexe Arbeitsleben in den umgebenden Bürotürmen. 

Am Rand von Paris ist der Boulevard périphérique. Er ist wie ein großer Autobahnring und umschließt die Innenstadt. An einem grauen Herbsttag bin ich mit dem Fahrrad immer weiter die Boulevards entlang geradeaus, bis hinter die Périphérique in den Bois de Vincennes gefahren. Von diesem riesigen Stadtwald aus erkundschaftete ich dann die Stadt einmal aus einer anderen Perspektive und wanderte über Ivry-sur-Seine und an der Bibliothèque nationale de France zurück bis zum Jardin des Plantes.

Vom Zentrum zur Périphérique. Am Rand der Stadt mit Zorki-Kamera und in Caffenol entwickeltem Ilford Delta 100 Film. 

Der Hügel Montmartre war im 19. Jahrhundert das Zentrum der Kunst schlechthin. Was hier passierte, hatte weitreichende und kaum zu überschätzende Relevanz für die ganze Entwicklung der Malerei. Wer die Möglichkeit hatte, kam nach Paris und fand hier Inspiration, Austausch aber auch die nötige Freiheit, um seinen eigenen Ausdruck zu entwickeln.

Eindrücke eines grauen Herbsttags am Montmartre in Paris. Eher wenige Touristen, ein paar Straßenkünstler und entspannte Kopfsteinstraßen und Plätzchen.

Der Washi Film „F“ ist ein feiner Röntgenfilm. Wenn man ihn richtig behandelt, zaubert er fantastische Lichter und weiche, fast magische Bilder.
Zu heiß in Caffenol entwickelt, wird er allerdings, wie jeder andere Film auch, grobkörnig. An warmen Sommertagen, besonders bei langen Entwicklungszeiten von 60 Minuten und mehr, ist das eine Gefahr, an die man besser denken sollte.

Sommerlich kräftige Fotos mit dem Röntgenfilm „Washi F“ am Montmartre. 

Richtig geglückt ist dafür die letzte Aufnahme einer jungen Mutter in der Metro. Dieses Foto wäre eigentlich sehr stark unterbelichtet gewesen. Durch die unfreiwillige Push-Entwicklung ist es jetzt aber das Highlight des ganzen Films.

Street Photography in der Metro mit Zorki-Kamera und in Caffenol entwickeltem Röntgenfilm „Washi F“:  

Paris – eine junge Mutter in der Metro

Der Cimetière du Père-Lachaise ist der wohl berühmteste Friedhof in Paris. Zwischen Bäumen, wie in einem Park liegen hier auch viele Berühmtheiten. An einem Frühlingsabend faszinierten mich vor allem die kleinen bunten Fenster, durch welche die tiefe Sonne in die gemauerten Grabstätten und Gruften leuchtet.

Mit der Zorki und „Adox Color Mission“ Film war ich an einem Nachmittag im März auf dem Père-Lachaise Friedhof. Es ist ein Film, der insbesondere Grüntöne kräftig durchzeichnet und nicht so warme, sondern mehr „realistische“ Farben mit einem tiefen Kontrast wiedergibt. 

Viele Filme werden nicht mehr hergestellt und leider gibt es nur selten neue. Manchmal ist die Herkunft der Filme auch nicht mehr ganz klar. Umgespultes tiefgefroren gelagertes Fotomaterial aus lange vergangenen Tagen… Hier kommt eine echte Rarität: An einem sonnigen Herbsttag war ich mit dem FPP RetroChrome 400 (Film Photography Project) unterwegs.
Ich wollte ganz genau wissen, was er für Farben macht. Crossentwickelt (C-41) kannte ich ihn schon aus New York, deshalb habe ich diese Rolle als Diafilm (E6) entwickelt. Dias sind wunderschön anzuschauen. Der bunte Filmstreifen voller kleiner Bilder scheint wie viele winzige Fenster und die Fotos wirken knackig und mit hohem Kontrast.

Ein Sonniger Herbsttag in Paris mit der Zorki-Kamera. Auf FPP RetroChrome 400, das ist umgespulter 2004 abgelaufener Eastman Ektachrome Diapositiv-Film.

Wo der eine Film in grünlich-gelbem Retrolook schimmert, ist der andere Film eigentümlich blaustichig: Der Washi-X Film hat eine transparente Trägerschicht. So kann man beides machen und ihn sowohl als Negativ-Film oder als Diapositiv-Film entwickeln. Als Negativ bekommt man warme gelbliche Farben, im Stil von alten 50er Jahre Fotos. Als Diafilm wirkt er insgesamt blau-violett. Unterbelichtet wird er grünlich, dunkle Stellen scheinen bläulich. Überbelichtet fallen vor allem die schönen satten Rottöne auf.

Zwei Tage in Paris mit der Zorki und WASHI-X Film. Unterwegs am Montmartre, in Parks, auf Märkten und an der Seine. 

Wo früher der Ausstellungspalast Palais du Trocadéro stand, ist jetzt eine luftige Freifläche mit dem wohl berühmtesten Blick auf den Eiffelturm.

Am Trocadéro, der großen Aussichtsplatform mit Blick auf den Eiffelturm, kann man sehr gut Menschen beobachten. 

Luftige Menschen, Vögel und warmes Herbstlicht auf der Freifläche am Trocadéro.

Trotz seiner vielen historisch gewachsenen, ganz unterschiedlich bevölkerten Stadtteile, ist das architektonische Erscheinungsbild von Paris sehr einheitlich. Die bürgerlichen großen Stadthäuser im Zentrum sehen alle ähnlich aus. Die Pariser sind stolz auf ihre graublaue Dachlandschaft und wenn man vom Eiffelturm über die Stadt schaut, dominiert bis zum Horizont ein erstaunlich einheitlich grau-weißes Häusermeer. Nur die Bürotürme im Viertel La Defense heben sich ab und in der Ferne ahnt man die Großwohnsiedlungen in den Banlieues.

Ein weiter Blick über Paris bietet sich oben vom Eiffelturm, dem Wahrzeichen der Stadt. 

Der Eiffelturm muss ständig neu gestrichen werden. Wenn man die winzigen Arbeiter zwischen den Verstrebungen herumklettern sieht, bekommt man einen Eindruck von der Größe und ingenieursmäßigen Meisterleistung.

An einem bedeckten kalten Märztag bin mit dem superfeinen Fuji-Acros-Film und der Zorki vom Eiffelturm bis zum Gare du Nord quer durch die Stadt gelaufen.

Die LOMO LC-A ist die klassische traditionelle Lomo. Das ist die ursprüngliche Kamera, mit welcher damals eine Gruppe Studenten die Praxis der experimentellen Schnappschussfotografie erfunden hat. Ich habe eine noch neue original verpackte aus Sibirien geschickt bekommen und diese Parisreise war ganz offensichtlich das erste fotografische Abenteuer meines Exemplars.

Die Zehn Goldenen Regeln der Lomografie… Hier eine Auswahl mit Schnappschüssen von meinen Streifzügen durch Paris mit der Lomo LC-A. 

Für mich besonders in Paris war das Thema „Street Photography“. Straßenfotografie mit Menschen ist in meinen Augen einerseits die schwierigste, andererseits die schönste Facette der Fotografie. Tausend nicht gemachte Bilder spuken mir durch den Kopf. An jeder Ecke sieht man schöne Situationen, sieht wunderschöne junge Frauen, Situationskomik, charaktervolle Gesichter, den Zauber des Alltags… Alles zieht vorüber und nur ganz selten schaffe ich es meine Scheu zu überwinden, bin schnell genug und erwische den richtigen Moment. Digital ist es einfacher. Aus einer Masse an Fotos, in schneller Folge geschossen und mit der Möglichkeit auch kleine Ausschnitte in ordentlicher Qualität zu wählen, kann man den Menschen ganz anders auf die Pelle rücken. Analoge Straßenfotografie ist sehr viel zerbrechlicher. Man muss ein Gespür für die Situationen entwickeln, Film und Kamera sehr gut kennen und schnell und beherzt sein. Aber selbst wenn nur ein Foto auf der ganzen Filmrolle geglückt ist, freut man sich hinterher viel mehr.

Fotos mit Menschen sind hinterher oft am interessantesten. Aus der großen Masse an Fotos mit der Lomo LC-A habe ich hier meine Lieblings-Schnappschüsse ausgewählt. 

Die Zorki 4K ist dagegen trotz ihrem rustikalen und oft herablassend belächelten Image als „Leica des armen Mannes“ eine sehr feine und ausgereifte Kamera. Die Qualität der Bilder hat man mit der Zorki ganz in der eigenen Hand. Ich liebe besonders Fotos mit weit geöffneter Blende. Beim Jupiter 9 Objektiv mit 85 mm Brennweite bekommen die Fotos dadurch eine sehr weiche, traumhafte und beinahe malerische Atmosphäre. Alles wirkt kostbar, einzigartig und Menschen erscheinen fast wie Schauspieler zauberhaft hinterm Vorhang auf der Bühne eines kleinen altmodischen Theaters. Aber auch das Jupiter 8 ist sehr lichtstark und mit seinen 50 mm gut für die Street Photography geeignet. Für Reisen ist schließlich das Jupiter 12 Objektiv ideal. Mit 35 mm Brennweite entspricht es am ehesten unserem modernen Bildgeschmack, der etwas weitwinkeliger ist als früher, auf alten Fotografien.

Ob Liebesschlösser in der „Stadt der Liebe“ oder Spiele mit Licht und Farben in der Sainte-Chapelle – hier sind bunte Eindrücke der Zorki in Paris auf Farbfilm. 

Wenn man Filme mit Caffenol selber entwickelt, kann man regelmäßig kleine Überraschungen erleben. Einige meiner Filme aus Paris sind stark über- oder unterentwickelt. Wie auch in Indien, hatte ich in Paris lauter verschiedene Filme und habe auch einzelne Fotos oft unterschiedlich belichtet. Die Entwicklungszeiten muss man dann mehr schlecht als recht abschätzen. Was am Ende all dieser manuellen Prozesse übrig bleibt, ist manchmal auch allein technisch gesehen interessant oder zumindest kurios. Je nach Gesichtspunkt kann man auch in diesen Prozessen, im Zusammenspiel des Inhaltlichen mit dem Technischen eine gewisse Poesie entdecken.

Dieser Film (ein LOMO Berlin Film) wurde zweimal entwickelt. Nach dem ersten Durchlauf habe ich ihn wieder gebleicht und noch nass für kurze Zeit in die Sonne gelegt. Anschließend erneut entwickelt. So habe ich, ganz analog, den spritzigen Wassertropfen-Effekt hinbekommen. 

Ein beinahe antiker Film ist dieser ADOX KB14. Über 50 Jahre abgelaufen! An einem Wochenende in Paris und habe ihn mit der Zorki-Kamera fotografiert und liebevoll  in feinstem fairtrade Kaffee entwickelt.

Seit Januar 1966 hat sich der Film teilweise aufgelöst. Hier sieht man ihn frisch eingelegt mit großen Blasen auf der Trägerschicht. Er roch auch ziemlich chemisch und wellt sich wirr in alle möglichen Richtungen. Trotzdem freue ich mich, dass ich mit der Zorki, kräftigen Belichtungszeiten und über 70 Minuten Caffenol-CL Entwicklung ein paar Fotos herausgekitzelt habe.

ADOX KB14. Expired im Januar 1966.

Im Januar 1966 abgelaufener Film an einem sonnigen Nachmittag in Paris 2022. Mit der Zorki und in Caffenol entwickelt. 

Es sind manchmal so unwahrscheinliche Umstände, so haarscharf gerade noch glückliche Faktoren… Was alles in perfekter Konstellation zusammengetroffen ist, um dann in Form dieses einen geglückten Fotos in die Welt zu treten… Wer versucht, Straßenfotografie und gelungene Schnappschüsse zu machen, erlebt viele verpasste Situationen.

Oft denke ich, das wäre jetzt schön gewesen. Das könnte interessant sein. Aber nur selten erwischt man den Moment genau perfekt und drückt im richtigen Augenblick den Auslöser. Analog geht das auch nicht so schnell und mit meiner Lieblingskamera, der Zorki, muss man auch noch eine ganze Menge einstellen. Schließlich ist für mich die Existenz mancher Fotos deswegen fast wie Zauberei.

Beispielsweise ist der Washi-F Röntgenfilm vom Montmartre extrem überentwickelt und sieht fast aus wie Griesbrei. Aber nur durch diese Überentwicklung ist das eine vormals hoffnungslos unterbelichtete Foto von einer jungen Mutter in der U-Bahn doch noch etwas geworden. Nur durch die zu hohe Temperatur, die „falsche“ Zeit oder vielleicht auch aufgrund der selbstgerösteten Kaffeebohnen, aus denen ich mein Caffenol gemischt habe, erkennt man plötzlich den friedlichen Gesichtsausdruck oder den besonderen Blick eines Typen, der vormals einfach nur im Schatten eines Cafés saß.

Es sind all diese Zufälle, die für manche dieser Fotos wie ein fantastisches Uhrwerk zusammen greifen und die für mich den Zauber der analogen Street Photography ausmachen.

Spaziergang über die Seine an einem warmen Herbstabend: