Information, Vertrauen und Angst

Dunkle Straße und grelle Lichter in einer Winternacht.

Vertrauen muss man lernen und genau wie man beim Sport ohne Training nicht sehr weit kommen wird, ist auch Vertrauen nicht möglich, ohne dass dahinter gute Erfahrungen und Erlebnisse stehen, die uns positiv geprägt haben.
Informieren ist eigentlich ein künstlerischer Prozess. Informieren kommt definitionsgemäß von In-Form-bringen, eine Gestalt geben, also von formen und bilden.
Hier möchte ich nun ein paar Überlegungen zu Informationen und Vertrauen anführen.
Wenn man reflektiert und sich klar macht, warum man etwas wichtig findet, warum man etwas glaubt und wieso man von etwas Bestimmtem überzeugt ist, kommt man schnell an die Grenzen seiner Vernunft. Schließlich kann jede Information auch falsch sein. Man kann theoretisch alles als Kontraindikation sehen und genau gegenteilig handeln oder ganz andere Ursachen suchen. Wahrheit und Lügen ist rational nicht einfach beizukommen.
Unser ästhetisches Gefühl hilft uns, einer Informationsquelle zu vertrauen. Wer oder was uns informieren darf, was uns also formen, prägen und in eine Gestalt bringen darf, wird letztendlich nach ähnlichen Gesichtspunkten entschieden, wie sie z.B. auch in der Kunst gelten. Der innere Maßstab ist immer der selbe. Zur Orientierung in der Informations- und Bilderflut, um all die Reize und Mitteilungen richtig zu filtern, muss etwas sehr persönliches in uns aktiv mithelfen: Verständnis, Einfühlungsvermögen und Vertrauen.

Liebesschlösser sichern die Liebe.

Angst ist das glatte Gegenteil von Vertrauen. Angst haben wir, weil wir etwas nicht verstehen, uns nicht einfühlen können und uns unsicher sind. Haben wir Angst vor etwas, richten wir unsere Aufmerksamkeit verstärkt darauf. Wir schauen genau hin, versuchen uns leise zu konzentrieren und wenn wir dann noch nicht weggerannt sind, wenn wir sehen und verstehen was es ist, können wir uns vielleicht wieder sicher fühlen. Angst und Sorgen sind etwas ganz Normales aber immer auch nur Temporäres. Meistens können wir sie durch eine Information schnell beschwichtigen, wir müssen nachschauen, überprüfen und uns dann wieder entspannen.

Was passiert mit der Liebe, wenn man alle Schlösser knackt?

Sind wir vernetzt, möchte uns jedes Medium seine Informationen anbieten. Zeitungen, Facebook, Nachrichtensendungen, Twitter, Blogs – alle wollen uns über wichtige Sachen in Kenntnis setzten. Wir werden über unseren Blutdruck ebenso belehrt wie über die Anzahl der Schritte, die Meinungen von Bekannten bei Facebook und was in der Welt sonst so die ganze Zeit passiert. All diese Informationen möchten für uns bedeutsam sein und stehen immer in einem Wettbewerb um unsere Aufmerksamkeit. Um in diesem Wettbewerb wahrgenommen zu werden, braucht die Information einen Anker, damit sie uns persönlich betrifft. Am besten funktioniert das mit einem Gefühl: Positiv oder negativ. Hauptsache für jede Meldung ist, der Informationswert weicht von „Normalnull“ ab und wird als wichtig wahrgenommen.

Viel Geld

Dieser Informationswert, dieses Gefühl einer Botschaft von Angst/Verlust oder Belohnung/Glück ist noch vor der Story relevant. Sie ist etwas ganz grundsätzliches in jeder Information und erreicht uns, bevor es um die eigentlichen Inhalte und ihre differenzierte Wertung geht. Deswegen sind wir ihr auch gleich ganz ausgeliefert – wie einem Geruch, der uns unmittelbar trifft. Wir werden quasi die ganze Zeit mehr oder weniger gereizt oder sogar richtiggehend erschreckt. Noch bevor wir die Meldung verarbeiten, bekommen wir ihre Dringlichkeit aufgedrängt. Und das funktioniert eben am besten über die Angst.

Ein aufgeknackter Tresor

Menschen haben mehr Angst vor einem Verlust, als dass wir uns über einen möglichen Gewinn freuen. Angst und Schmerz zwingen uns über etwas nachzudenken und wenn uns also eine Information über die Gefahr eines möglichen Verlustes oder über Gewalt informiert, ist sie für uns bedeutsamer, dringender und wir erleben sie als persönlich wichtiger, als wenn sie uns ein Glück verspricht, etwas Positives berichtet oder einen schönen Weg aufzeigt. Wir sind an dieser Stelle nicht sachlich und können nicht logisch und rational werten. Negative News, Angst und ein möglicher Verlust erscheinen uns persönlich eher zu betreffen. Die Möglichkeit einen Gewinn zu machen oder einen interessanten Menschen kennen zu lernen, kommt erst an zweiter Stelle, erst wenn klar ist, dass uns kein Verlust droht, wenn wir Vertrauen gefasst haben und uns sicher fühlen können.

Angst vor dem Klimawandel

Soweit meine allgemeinen Beobachtungen. Gruselig wird es allerdings, wenn man das auf die Art und Weise überträgt, wie wir unser Leben momentan führen. Durch die ständige Erreichbarkeit, insbesondere durch Smartphones und unsere Vernetzung „drohen“ uns mit jeder Information Gefahren und Verlust. Wir werden an diese Bedrohung und ständige Anspannung gewöhnt, erscheint sie doch allgegenwärtig. Besonders aktuelle Meldungen, Neuigkeiten und Nachrichten werden professionell aufbereitet. Die Redakteure der Medien sind ja nicht blöd und nutzen selbstverständlich ein paar Kniffe und Instrumente, um ihre Informationen zu „vermarkten“ und im Wettbewerb mit anderen Medien besser wahrgenommen zu werden. Was schließlich passiert, ist ein Strudel aus Angst und Schrecken – nicht primitiv und natürlich auch nicht dumm, aber subtil und in der Art, dass wir uns nie ganz sicher fühlen können.

Stirb! Angst vor Keimen und Bakterien

Die Spielfelder für Nachrichten sind sehr groß: Internationaler Terrorismus (Gewalt!) und Klimawandel (Verlust der Welt!) sind beispielsweise sehr große aktuell brisante Themenfelder. Man kann sie nicht einfach beantworten, ist ihnen gegenüber als Einzelner weitgehend ohnmächtig und hat, wenn man ehrlich ist, selber kaum Möglichkeiten sie in Angriff zu nehmen. Gesundheit ist auch ein großes Thema, beispielsweise mit dem Ozonloch (in den 90ern), Ernährung oder Feinstaub oder Viren – alles letztendlich ein Spiel mit unserer Angst vor dem Tod bzw. dem Verlust von Lebensqualität.
Auf regionaler Ebene sind die Themen sehr viel direkter, aber eigentlich immer noch aus dem Spektrum Gewalt (Angst!) und Geld, was dann meistens als „unser Geld“ wahrgenommen und falsch ausgegeben wird bzw. von öffentlichen Stellen verschwendet wird. (Verlust!). Wir werden durch solche Informationen wütend (der Wutbürger) oder traurig – letztendlich müssen wir ihnen gegenüber aber resignieren und fühlen uns klein und machtlos.

Angst vor lauten Nachbarn

Eigentlich könnte uns die Welt, groß wie sie ist, viele bunte und ganz unterschiedliche Informationen liefern. Dadurch, dass wir uns überwiegend durch professionelle Quellen informieren, die in einem Wettbewerb miteinander stehen, erreicht uns letztendlich aber ein perfekt kalkulierter Grusel-Mix: Überwiegend Angst und Gewalt mit nur gerade so viel Aufbauendem und Positivem beigemischt, dass wir nicht komplett resignieren, schreiend davonlaufen und dem Medium für immer den Rücken kehren.
Ich meine nicht, dass alles irgendwie perfide geplant wäre oder Teil einer höheren Verschwörung ist – das Problem liegt in der Sache selbst, liegt im Wettbewerb um unsere Aufmerksamkeit und in der schieren Masse an Meldungen und Schrecken, die uns tagtäglich erreichen wollen.

Vor allem aktuelle Informationen und Nachrichten erreichen uns über die Angst. Kurze Nachrichten-Splitter und brisante News schaffen Verunsicherung und arbeiten eben wie gesagt auch meistens über die Schiene „Gewalt“ und „Verlust“. Smartphones schließlich sind die Perfektion des Spiels: Durch unsere Handys sind wir immer „up to date“ und werden ständig von einer gewissen Angst gekitzelt. Jedes mal wenn wir nachschauen, geben wir dieser Angst nach, prüfen und kontrollieren, ob alles in Ordnung ist. Wir werden nach und nach zu Kontrollfreaks und verlieren immer mehr die Fähigkeit zu vertrauen.

Angst vorm Finanzhai

Es ist doch paradox: Je besser wir uns informieren können, desto weniger glauben wir einfach so. Wir bekommen immer mehr Informationen, umfassender und tiefer als je zuvor. Die Informationsdichte wirkt aber nicht im Geringsten beruhigend, sondern vielmehr verstörend und nagt zunehmend an unserem Vertrauen. Was uns als Einzelnen verstört, hat in der Masse, auf eine Gesellschaft übertragen, ziemlich weitreichende Konsequenzen: Die Finanzkrise 2008 war auch deshalb so gravierend, weil im Anschluss niemand mehr genug Vertrauen hatte um Geld zu verleihen und guten Mutes zu investieren. Die Angst vor dem internationalen Terrorismus und Klimawandel führt zu zunehmender Skepsis gegenüber der Globalisierung, zu Nationalismus und dem Wunsch sich abzuschotten. Als könnte man globale Probleme dadurch lösen…

Angst vor wilden Tieren

Aus Angst handeln wir nie logisch: Wir wollen ihr entfliehen und uns zurückziehen. Erst wenn unsere Welt wieder so klein ist, dass wir sie unter Kontrolle haben, fühlen wir uns auch wieder sicher. Angst schafft nichts Neues, ist nicht produktiv und lässt uns nicht aufeinander zugehen. Informationen bieten ein Mittel gegen die Angst, dass nicht lange hilft. Wissen kann uns zwar beruhigen, eine Sorge beschwichtigen – es verleiht aber in den meisten Fällen keine Macht. Die meisten Informationen sind gar nicht zum verarbeiten und anwenden sondern einfach nur „zur Kenntnisnahme“. Sie reizen, implizieren Gefahr und sind ein Impuls, der eigentlich unser Überleben sichern soll. Tatsächlich nützen sie aber überhaupt nichts und schüren immer weiter Sorgen und Verunsicherung.

Wo ist mein Mäuschen?

Können wir über das Smartphone kontrollieren und schauen, ob alles in Ordnung ist, tun wir das auch. Sehen wir auf einer App wo unsere Freundin gerade steckt, können wir das immer öfter überprüfen. Ist das Handy dann einmal ausgeschaltet, schwant uns Fürchterliches! Keine Informationen zu haben ist noch schlimmer, als negative Informationen. Nicht so gute Bewertungen in einem Internet-Shop sind immer noch besser, als gar keine Bewertungen. Mit der Zeit werden uns diese Routine-Checks immer wichtiger. Nun gibt es an allen Ecken und Enden ganz viele Sorgen und wir müssen immer mehr überprüfen. Wir glauben immer weniger einfach so, lieben immer weniger ohne Grund und Vertrauen immer kürzer.

Auch der Glaube an Gott braucht Bilder und Sächelchen, damit man weiß wo man dran ist und wem man sein Vertrauen schenkt: 

Nur um hier auch mal zu zeigen, wie es anders gehen könnte: Besser sind beispielsweise Informationen, die bereits ein bisschen älter sind. Ihre Inhalte werden über die Zeit umfangreicher und vielschichtiger. Die Wochenzeitung, der Überblick mit genaueren Angaben und Hintergründen. Gute Berichte, Bücher und Dokumentationen zeigen immer ein differenzierteres Bild und heischen nicht mehr einfach nur um Aufmerksamkeit: Um sie zu verarbeiten, müssen wir uns auf sie einlassen, Zeit investieren und lernen etwas dazu. So können wir Vertrauen entwickeln, etwas selber verstehen und letztendlich ein Gefühl der Sicherheit erleben – weil wir durch den Dialog und seine Dialektik mehrere persönliche Bezugspunkte entwickeln und die für unser Leben wichtigen Informationen selbst synthetisieren können.

Angst vorm Parkrempler. Ein dicker Kratzer in einem Bentley

Fakt ist: Die meisten „aktuellen“ Informationen sind für uns persönlich vollkommen unwichtig. Von den meisten Terroranschlägen sind wir selber nicht betroffen und durch die Cleverness oder Dummheit der Politiker oder Führungskräfte ist auch eher selten unmittelbar unser eigener Geldbeutel betroffen. Eigentlich haben wir unser Leben so gut in der Hand, wie wir eben selber in der Lage dazu sind. Unsere persönlichen Verluste haben wir meistens selbst zu verantworten oder sie stehen letztlich nicht in unserer Macht. Krankheit oder ein Unfall können unser ganzes Leben umwerfen – in den meisten Fällen haben wir aber keinen Einfluss darauf und wir müssen uns ihnen unterordnen und selber damit umgehen lernen. Informationen helfen uns tatsächlich nicht so oft weiter, wie wir meinen. Jedenfalls steht ihr wirklicher Wert in keinem Verhältnis mehr zu der Aufmerksamkeit, die wir ihnen schenken.

Angst vor dem Tot? Mumifizierte Körper in der Gruft der Kapuziner in Brünn, Tschechien

Machen wir uns auf und unternehmen selber etwas, können wir Glück haben und gewinnen. Konzentrieren wir uns auf Schönheit, kann ein Gefühl der Anziehung entstehen. Daraus wächst von ganz allein der Wunsch eine Sache oder einen Menschen besser kennen zu lernen. Wir wollen freiwillig handeln, uns freiwillig näher mit einer Frage oder einem Menschen beschäftigen – weil wir das mögen und erleben, dass es uns gut tut. Und wäre es dann nicht schön konstruktiv informiert zu werden, von etwas Schönem in-Form-gebracht und von fruchtbaren Gedanken gestaltet zu werden? Solche Informationsquellen sollte man suchen.
Bekommen wir stattdessen Angst, werden wir unter Druck gesetzt oder erwartet man von uns Aufmerksamkeit, obwohl wir sie eigentlich nicht geben wollen, ist das anstrengend, unproduktiv und nimmt uns nicht nur viel Zeit, sondern auch die Möglichkeit Vertrauen zu lernen.