Atomenergie – Verstrahlte Fotos aus Tschernobyl

The exclusion zone around the nuclear power plant of Chernobyl is pretty much the same size as Luxembourg. It’s a huge area, which is still so contaminated at some points that only a few hours on these hotspots would be deadly.
Nature has meanwhile recaptured large parts of the abandoned country. The restricted area is almost like a nature reserve. Especially the ghost town Pripyat is impressive and to experience the size of the whole radioactively irradiated area.
Starting from Kiev I made an excursion to the restricted area and took many pictures.

Die Sperrzone rund um das Atomkraftwerk von Tschernobyl ist mit 2600 km² etwas größer als das Saarland bzw. ziemlich genau gleich groß wie Luxemburg. Es ist ein riesiges Gebiet, welches an manchen Hotspots immer noch so verstrahlt ist, dass bereits wenige Stunden vor Ort für einen Menschen tödlich wären.
Neben diesen Hotspots ist ein mehr oder weniger vergnügtes Leben aber durchaus möglich. Die Natur hat inzwischen weite Teile des von den Menschen verlassenen Landes zurückerobert. Die Sperrzone ist fast wie ein Naturreservat und es gibt dort viele seltene Tierarten, Wölfe, Bären, wilde Przewalski-Pferde und sogar Seeadler.

Von Kiew aus habe ich eine Exkursion in das Sperrgebiet unternommen und viele Fotos gemacht.
Für die Strahlung hauptsächlich verantwortlich ist Caesium-137, welches das Gebiet mit der besonders durchdringenden Gammastrahlung (auch ​ɣ-Strahlung) radioaktiv verseucht.
Die meisten radioaktiven Stoffe liegen inzwischen unter einer etwa 30 Zentimeter tiefen Erdschicht begraben oder haben sich zersetzt. So ist die Strahlenbelastung für Besucher heute nur noch etwa 1 % des Wertes vom April 1986, direkt nach der Katastrophe. Wenn man 30 Bananen isst, bekommt man wahrscheinlich mehr Radioaktivität ab, als bei einem Tag in Tschernobyl.

Am Checkpoint Dytiatky beginnt die Sperrzone

Mein Dosimeter misst die aufgenommene, ionisierte Strahlung. Das ist vor allem die Gammastrahlung. Wie es speziell mit Alpha- und Betastrahlern aussieht, weiß man nicht – das Inhalieren oder Schlucken von radioaktivem Staub oder Wasser wäre jedenfalls ziemlich heftig. Freunde der Atomenergie vergessen oft gerne, dass es verschiedene Arten radioaktiver Strahlung gibt. Deswegen ist es auch nur die halbe Wahrheit, wenn man ein kontaminiertes Gebiet ausschließlich über die oberflächlich gemessene Hintergrundstrahlung definiert. Rund um Tschernobyl wird nirgends gebuddelt und alle Leitungen und Rohre nach der Katastrophe sind oberirdisch verlegt.
Ein Besuch der Sperrzone ist im Rahmen einer geführten Tour sehr gut möglich und wird als touristische Abenteuerreise von Kiew aus für etwa 100 $ angeboten.

Fotos meiner Fahrt nach Tschernobyl:

Nach dem passieren des ersten Checkpoints im Dörfchen Dytiatky kommt man in die 30-km-Zone. Hier sind bereits verstreut verlassene Ortschaften und Hausruinen zu sehen, während man auf langen geraden Straßen immer weiter in das überwiegend bewaldete Gebiet hineinfährt. Im Radius von 10 Kilometern um den havarierten Atomreaktor kommt dann der zweite Checkpoint. Heute arbeiten immer noch viele Menschen im Sperrgebiet und ganz aktuell wurde durch das französische Konsortium Novarka das „New Safe Confinement“, kurz NSC gebaut. Die 1,5 Milliarden Euro teure zweite Schutzhülle wurde neben dem Unglücksreaktor gebaut und dann über den mittlerweile maroden alten Beton-Sarkophag geschoben – eine ingenieurmäßige Meisterleistung.
Direkt neben dem havarierten Reaktorblock ist ein Denkmal und es gibt eine Mensa, wo man zusammen mit den Arbeitern Mittagessen kann.

Das Leben in der Sperrzone ist gefährlich, muss aber im Alltag auch ziemlich langweilig sein: 

Der Rote Wald ist ein Kiefernwald, welcher an den Reaktor anschließt und der direkt in Windrichtung nach der Explosion besonders verstrahlt wurde. Rot wurde er, weil sich die Kiefern durch den radioaktiven Fallout verfärbt haben und abgestorben sind. Dieser Teil von Tschernobyl ist auch heute noch eines der am stärksten radioaktiv verseuchten Gebiete der Welt und viele Schilder warnen davor, hier nähere Erkundungen vorzunehmen, geschweige denn Pilze zu sammeln.
Besonders interessant ist die Geisterstadt Pripyat. Bis zur Katastrophe lebten hier fast 50.000 Menschen, darunter etwa 15.500 Kinder. Warum fast ein Drittel der Bevölkerung Kinder waren, weiß ich nicht. Tatsächlich findet man aber auffallend viel Spielzeug, Puppen und Stofftiere, was nach 30 Jahren oft besonders gruselig und unheimlich wirkt.

Früher lebten sehr viele Kinder um das Atomkraftwerk. Sie haben heute gruselige Spuren hinterlassen: 

In Prypjat gibt es nicht nur sehr viele verlassene Hochhäuser, verfallene Behörden, rostige Schilder und überwucherte Straßen. Im Zentrum findet man interessante Architektur der 70er Jahre, sowjetische Wandgemälde und das Kulturzentrum Energetik. Schließlich gehört auch ein Rummelplatz mit Riesenrad und Autoscooter zu den Sehenswürdigkeiten.
Sogenannte Stalker, junge Leute überwiegend aus der Ukraine und aus Weißrussland, dringen heimlich und unerlaubt in die Sperrzone ein und leben teilweise einige Wochen versteckt in der leeren Stadt. Sie suchen in den verlassenen Hochhäusern Unterschlupf (meistens ganz oben, wegen der wilden Tiere) und sprayen tolle Graffiti und Stencils. Im Internet finden sich viele spannende Videos und Fotos aus Pripyat, die von Stalkern gemacht wurden.

Ein Spaziergang durch die Geisterstadt Prypjat ist sehr eindrucksvoll: 

Blickt man auf die Geschichte der Atomenergie bis in die 50er Jahre zurück, passierte im Schnitt etwa alle drei Jahre ein Atomunfall.
Ohne die militärischen Hintergedanken während des Kalten Krieges wäre diese Technologie bestimmt niemals entwickelt worden. Heute können wir ganz klar sagen, dass es die mit Abstand teuerste Methode ist, um Energie zu gewinnen. Es ist ein wahnsinnig komplizierter Prozess, der auch nach über 70 Jahren intensivster Forschung immer noch sehr viele offene Fragen lässt. Auch heute kann jederzeit ein neuer Super-GAU passieren und neben dem Sicherheitsaspekt ist insbesondere die Frage nach dem Müll ein ungeklärtes Rätsel.

80er Jahre Roboter und radioaktiver Schrott in der Sperrzone: 

Neben der Unsicherheit, den regelmäßig vielen tausend Krebs- und Todesfällen und den riesigen verwüsteten Landstrichen, ist vor allem der hohe Preis ein Argument gegen die Atomenergie. Beispielsweise pumpt Großbritannien Milliardensubventionen in den Neubau des AKW Hinkley Point C und hat den Betreibern einen garantierten Einspeisetarif für 35 Jahre versprochen. Zu einem Preis, der schon heute deutlich über dem Preis einer Kilowattstunde für erneuerbare Energien liegt. Freie Marktwirtschaft sieht anders aus.
Man kann zynisch oder sarkastisch werden, aber es ist fast lustig zu lesen, wie schon in den 60er Jahren in alten Playboy-Heftchen begeistert von der Atomenergie geschwärmt wurde. Alles war super und man meinte bereits damals, vor über 50 Jahren, dass es bestimmt in nächster Zukunft für den Atommüll eine technisch einfache Lösung geben würde. Jedoch: Atommüll ist eine wirklich zähe und langlebige Angelegenheit. Was man dann nicht im Meer versenken konnte, liegt heute immer noch genauso planlos herum und sammelt sich immer weiter an.
Gleichzeitig ist die Atomkraft immer noch eine sehr faszinierende Technologie. Denkt man an all die abgebrannten Brennstäbe, an die vielen kleinen Reaktoren in Atom-U-Booten, schwimmende Atomkraftwerke, Eisbrecher und sogar nukleargetriebene Flugzeugträger, muss man einsehen, dass die Büchse der Pandora bereits geöffnet wurde und sich das Schlamassel nicht mehr rückgängig machen lässt.
Trotz all den schrecklichen Erfahrungen: Es gibt unterschiedliche Ansätze und mittlerweile tatsächlich auch wirklich intelligente Konzepte für Atomreaktoren. Viele Webseiten und Lobbyisten informieren im Internet und berichten von neuen Reaktoren und Möglichkeiten der Atomenergie. Befürworter der Atomkraft sprechen in diesem Zusammenhang allerdings lieber von der Kernenergie, weil das für viele Menschen weniger gefährlich klingt. Bei „Atom“ denken die meisten zuerst an Atombomben…

Relikte vergangener Sowjetzeiten: 

Im Kampf gegen den Klimawandel wird die Atomenergie von vielen Menschen als Lösung gesehen, weil Sonne und Wind allein nicht „grundlastfähig“ sind. Dabei wird behauptet, mit erneuerbaren Energien alleine wäre die Stromversorgung unsicher. Ich persönlich denke, wir sollten mehr forschen und keine Technologie pauschal ausschließen; vielleicht gibt es sie ja doch, die strahlende Zukunft der Atomenergie. Würde ich aber nur auf mein Bauchgefühl hören, wäre mir eine sichere und ungefährlichere Technologie lieber.
Mit dem Atomausstieg ist der Anteil der erneuerbaren Energien in Deutschland enorm gestiegen. Global kommen nur 11 % der Energie von Atomkraftwerken und wenn man wollte, könnte man darauf sehr gut auch noch verzichten. Integrierte Lösungen für die Energieplanung können langfristig ohne Atomenergie auskommen. Allerdings weiß ich nicht, ob das für die Umwelt besser wäre. Sicher ist auf jeden Fall: Würde man die vielen Milliarden Euro, die jährlich in Atomkraftwerken und ihren gigantischen Baustellen versumpfen, in nachhaltige Forschungen investieren, wäre das Energieproblem bestimmt schneller gelöst.

Zum Abschluss gibt es diese analogen Fotos, welche ohne atmosphärische Filter oder künstlerische Eingriffe direkt so sind, wie sie aus dem Labor kamen. 
Fotos vom brennenden Atomreaktor waren wegen der hohen Radioaktivität oft seltsam verrauscht und hatten eine ungewöhnliche Körnigkeit. Mit einem alten abgelaufenen Schwarz­weiß­film habe ich hier versucht diesen Effekt künstlich herbei zu führen.


Eine Auswahl mit Handabzügen aus der Tschernobyl-Serie habe ich auf der transformart Kunstausstellung in Berlin gezeigt.
Hier sind ein paar Eindrücke unserer Vernissage:

Flyer Transformart 2019
transformart ist eine jährlich stattfindende Kunstausstellung