Fotos vom Unterwegssein

Wenn wir reisen, haben wir eigentlich immer ein Ziel. Gerade bei Städtereisen sind dann auch die Fotos oft entsprechend ähnlich. Wie beim „taggen“ hängen wir unserem Leben durch Reisen, Selfies und Souvenirs bestimmte Attribute an: Big Ben, Eiffelturm, Karlsbrücke, Kolosseum… Das wir wirklich selber da waren, muss natürlich festgehalten werden!
Wir freuen uns, wenn das eigene Foto dem Vergleich mit berühmten Aufnahmen standhält, einen hohen Wiedererkennungswert hat und benutzen zusätzlich oft kleine Tricks, um der Wirklichkeit noch ein bisschen mehr auf die Sprünge zu helfen: Mit Filtern, Instagram, „Zauberstab-Werkzeug“ oder etwas professioneller mit Photoshop können wir die allgemeine Illusion der bekannten Orte aufrecht halten. Schließlich helfen wir durch das Teilen in sozialen Netzwerken, auf Foto-Seiten usw. beim weiteren Ausbau der Ikonographie dieser Städte, Plätze, Denkmäler, Brücken, Türme usw. mit.

Was das Reisen aber ebenso ausmacht, wahrscheinlich sogar einen noch viel stärkeren Einfluss auf unsere Stimmung und unseren persönlichen Eindruck nimmt, dass ist das dazwischen Unterwegs sein. Das Warten, Hoffen, die Langeweile, das Träumen und Aus-dem-Fenster-Schauen. Jede Reise ist davon mitgeprägt und jeder Reisende kennt diese Situationen – insofern sind, auch durch die hohe Anzahl der Reisen, die jeden Tag von Menschen gemacht werden, diese Zustände inzwischen sogar selber auch schon wieder ikonographisch geworden und sprechen auf ihre Art eine universale Sprache.

„You never know the last time you’ll see a place. Or a person.“

„Fill your life with adventures, not things. Have stories to tell not stuff to show.“

„Travel the world. Understand different cultures. Be inspired by beauty everywhere. Make friends all over. Be a citizen of the world.“ 

„Once you have tasted flight you will walk the earth with your eyes turned skywards, for there you have been and there you will long to return.“ (Leonardo Da Vinci)

„When you’re traveling, you are what you are, right there and then. People don’t have your past to hold against you. No yesterdays on the road.“ (William Least Heat-Moon)

„There’s something about arriving in new cities, wandering empty streets with no destination. I will never lose the love for the arriving, but I’m born to leave.“ (Charlotte Eriksson)

„Now more than ever do I realize that I will never be content with a sedentary life, that I will always be haunted by thoughts of a sun-drenched elsewhere.“ (Isabelle Eberhardt)

“He who has led you
so far will guide you
further.” (Rumi)

„There’s no keeping a roamer. You can tie them down, cage them up like a bird, and it will work for a while, but eventually they will break free. And then they’ll run until they die.“ 
(Wink Poppy Midnight by April Genevieve Tucholke)

„We listened to bluegrass in the desert. We drank gas station coffee and got teary-eyed at the end of each love song. The dusty drybrush on the flatland and the sunbaked blood of the mountains. We saw more shades of red in that southern Utah sunrise than colors we knew existed. I felt something different swimming through my body that day, and it felt like the closest thing I’ve known of adventure.“ (Schuyler Peck)

Fotos aus dem Flugzeugfenster, Hotelzimmer, Regen an der Scheibe beim Blick aus dem Zug… Jeder kennt diese Fotos. Sie lassen sich auch schön mit Hoffnung oder Sehnsucht ausdrückenden Gedanken ergänzen und werden dadurch zu einem Symbol für etwas in unserem Leben, dass sehr wichtig ist: Suchen, Freundschaft, Liebe, Aussicht auf Arbeit, ein „Dach über dem Kopf finden“ und ankommen. Beim Unterwegssein, zwischen den Orten, können wir den Mensch sehen, entdecken das Individuelle und wenn wir uns darauf einlassen, sogar manchmal ein bisschen Romantik.
Gerade die Leere, die Abwesenheit vom Glanz der Sehenswürdigkeiten und oft auch die „Langeweile“ dieser Bilder schafft einen Raum, in dem viel Persönliches, unsere Gedanken, Ideen und Wünsche greifbar werden können und man schließlich immer wieder auf sich selbst zurück kommt.

Seit ich meine erste eigene Kamera hatte, habe ich viele solche Fotos gemacht. Auch wenn eigentlich in den meisten Fällen nicht viel darauf zu sehen ist, sind sie für mich doch nicht nur ziemlich gute Erinnerungsstücke: Manche Fotos, von Bahnhöfen, Schildern usw. sind fast schon poetisch. Teilweise repräsentieren sie vielleicht außerdem ein gewisses „Nomadentum“, dass wohl jeder aus seinem Leben kennt: Ob beruflich, wegen Menschen die uns wichtig sind, aus Neugierde oder auf dem Weg in den Urlaub – jeder Mensch ist regelmäßig irgendwohin unterwegs.
Die Fotos vom Unterwegssein sehen alle ein bisschen gleich aus, aber die Gefühle, die wir dabei haben, sind sehr unterschiedlich. Vorfreude, Heimweh, Traurigkeit, Stolz, Fremdsein…

Hier kann man sich nun in vier Kategorien Fotos von mir anschauen, die im Lauf der Jahre entstanden sind.
Die Sammlung wächst kontinuierlich und wird immer wieder aktualisiert. Das Überfliegen der schier endlosen Fotoreihen scheint fast wie eine eigene Reise…


Die erste Gruppe enthält Fotos von Strassen und Wasserwegen. Beim Vorbeifahren, aus dem Autofenster, im Bus, im Schiff, auf Fähren, auf der Autobahn, an Raststätten… Es gibt gefährliche Strassen, mit Steinschlag, Eis & Schnee aber auch Sonnenuntergänge, vergnügte Exkursionen, Ausflüge und allerlei verwackelte Fotos sind zu sehen. Auch wo es keine richtige Strasse gibt, kann man noch einen Weg finden: Mit dem Jeep, mit Kamelen, mit einem Boot oder zu Fuß.
Es ist im Vergleich die autonomste und direkteste Form des Reisens, weil man zur Not auch ohne oder nur mit sehr einfacher Infrastruktur auskommt. Die Eisenbahn mit ihrem Schienennetz ist da schon wesentlich komplexer und großen Verkehrsflugzeugen schließlich ist man, einmal eingestiegen, völlig ohnmächtig ausgeliefert.


Die zweite Gruppe besteht aus Fotos mit Bezug zur Eisenbahn. Hier gibt es Bahnhöfe, Hochspannungsleitungen, verregnete Zugfenster, nächtliche Vorortzüge, U-Bahnhöfe und Menschen auf dem Weg zur Arbeit.


In der dritten Gruppe sind viele Fotos mit Flughäfen und Flugzeugen. Das ist vielleicht die beliebteste Reisefoto-Gruppe, weil dem Fliegen oft auch der Geruch der „großen, weiten Welt“ anhängt. In sozialen Medien kann man beispielsweise angeben, wenn man eine Reise unternimmt – besonders gern macht man das natürlich bei Flugreisen. Von allen Reisearten ist das die, mit den populärsten Ritualen: Duty-Free-Shopping, Sicherheitshinweise, hübsche Stewardessen, Katastrophenfilme und Flugangst, strenge Kontrollen und die Möglichkeit sehr schnell woanders zu sein… Das alles klingt bei Flugreisen mit und macht Fliegen auf jeden Fall zu etwas Besonderem.


Die vierte Gruppe schließlich ist die vielleicht „langweiligste“ aber dadurch auch eine ziemlich persönliche: Hotelzimmer.
Ich habe über ein Jahr „auf Montage“ gearbeitet und seitdem immer  wieder meine Zimmer fotografiert. Meistens waren es keine schicken Luxushotels sondern man ist dann eher froh, irgendwo halbwegs sauber, sicher und trocken untergekommen zu sein. Die Versuche es mit Bildern an der Wand wohnlich zu machen, wirken dabei oft besonders melancholisch. Schön wurden die Hotelzimmer später, wenn man „freiwillig“ verreist, mit punktuellen Lichtquellen, Abends oder wenn sie etwas größer sind. Meistens ist es aber eben einfach nur zweckmäßig und wie kein anderer Ort ist das Hotelzimmer ein Ort des „dazwischen seins“, wo man sich wie bei „Lost in Translation“ fühlen kann und so richtig merkt, dass man fremd und auf Reisen ist.