Sizilien

Eine schwarz-weiße Entdeckungsreise durch die Straßen und Märkte von Palermo und Catania. Die ersten warmen Sonnentage am Meer, lebendige Plätze mit Musik, blühende Mandelbäume und Orangenduft. 

Mit meiner Zorki Kamera möchte ich in diesem Beitrag den einzigartigen Charakter von Sizilien näher betrachten. Sizilien ist eine eigene Welt. Die Insel ist anders als der Rest von Italien. Das Essen, die Menschen, die Kultur und Geschichte …

Abenteuer auf dem Straßenmarkt La Fiera in Catania

Als Motiv kommt für mich alles infrage, was das Auge fesselt. Alles, was ich sehe und wo mein Blick hängen bleibt, kann theoretisch ein gutes Motiv sein. 
Indem ich mich bei der Ausrüstung auf eine Kamera mit 35 mm Festbrennweite beschränke, kann ich mich auf das konzentrieren, was vor mir liegt, und werde nicht von der Technik abgelenkt.

Frischer Fisch vom Fischmarkt in Catania

Jeder Schwarz-Weiß-Film hat eine eigene Ästhetik und kann dazu beitragen, die Stimmung und Atmosphäre eines Ortes oder einer Situation zu verstärken. Durch das Spiel von Hell und Dunkel, die spezielle Gradation, Tonwertabstufung und die Körnigkeit des Films bekommt das Bild ästhetische Qualitäten, die in ihrem Ausdruck bewusst künstlerisch eingesetzt werden können. 

In und um Catania

Im Nachhinein ist es auch entscheidend, wie ich die Filme entwickle und mit meinem Scanner digital weiterverarbeite. Die Filme von Ferrania haben beispielsweise eine sehr steile Gradationskurve und dadurch viel Kontrast. Hier habe ich mit dem Bellini D96 einen eher kontrastarmen Entwickler genommen, um die Bilder etwas feiner abzustufen. Bei meinen Nachtaufnahmen in Palermo habe ich mich dagegen für eine extrem lange Caffenol-Standentwicklung entschieden, weil ich damit sehr ausgleichend entwickeln kann und die einzelnen Aufnahmen über mehrere Stunden Zeit haben, sich vollständig auszukristallisieren, ohne grob zu werden. Bei den Fotos aus Siracusa/Ortigia habe ich mit einem hoch verdünnten feinen Entwickler (FX-39 bei 1:19 Verdünnung) und wenig Bewegung versucht, die Luftigkeit, den Wind, die Wolken und das Meer mit seiner ätherischen Atmosphäre wiederzugeben.

Himmel und Meer in Siracusa

Der Übergang von einer Reisedokumentation hin zur künstlerischen Fotografie ist fließend und nicht so einfach zu fassen. Während die Dokumentation vor allem eine Stütze für die Erinnerung ist, und wie ein kleines Kreuzchen Zeit und Ort festhält, geht die künstlerische Fotografie weiter. Für die Dokumentation unterwegs, habe ich oft auch Fotos mit dem Handy gemacht: Nun sehe ich den großen Unterschied im Vergleich mit den analogen Fotos der Zorki Kamera. 

Siracusa – Isola di Ortigia

Ein Foto wird künstlerisch, wenn es einen ästhetischen Ausdruck hat. Das kann gelingen, wenn es nicht nur nach dem „Was“ fragt, sondern auch fragt, „wie“ etwas dargestellt ist. Geglückt ist die Aufnahme, wenn durch die künstlerische Entscheidung das Foto in seiner Aussage verstärkt wird.

Ein Tag in Monreale

Objektiv sind es nur kleine Unterschiede. Vielleicht kann man es am ehesten mit einem Parfum oder mit einem Wein vergleichen: Die Unterschiede von einem guten zu einem sehr guten Wein oder die Nuancen zwischen zwei Düften sind manchmal nur minimal. Dennoch rechtfertigen sie für manche den deutlich höheren Preis und am Ende sind es genau diese feinen Unterschiede, welche das Gewöhnliche vom Besonderen unterscheiden. 

Die Straßen von Palermo

Im Foto können auch ganz banale, eigentlich unwichtige Motive schön werden. Besonders gelungene Fotos bekommen eine eigene Poesie. Durch ihre Ästhetik werden sie unabhängig und können frei vom Kontext als eigene Position stehen. Solche Fotos findet man jedoch nur selten. Um sie zu erkennen, braucht es auch Hingabe und Offenheit. Sie entstehen oft erst aus einer Reihe mit mehreren Fotos und indem man sich aus verschiedenen Blickwinkeln einer Situation annähert. Das ist besonders beim analogen Fotografieren aufwändig, weil dabei dann sehr schnell auch ein ganzer Film voll sein kann. So ist es mir auf dem Fischmarkt in Catania ergangen. Die ganze Situation hat mich so beeindruckt, dass ich drei Runden über den Markt gedreht habe. Das Fotografieren verselbstständigt sich dann. Solche glücklichen Momenten sind wie ein „Flow“; die Kamera führt sich fast wie von selbst und alles fliegt plötzlich um einen herum. 

Eindrücke aus Palermo

Es gibt zwei große Schreckgespenster in der Fotografie: Das sind der Schnappschuss und der Amateur. Beide Stigmata haften wie Kaugummi unterm Schuh und lassen sich kaum abwaschen. Überlegt man es jedoch genauer, sind beide Bezeichnungen ganz schön dünkelhaft und überheblich.

Ursprünglich eigentlich gar nicht abwertend gemeint, ist ein Amateur einfach jemand, der etwas aus Liebhaberei als Hobby betreibt. In der Kunst sprechen jedoch manche von einem Amateur, um sich selbst demgegenüber als „echten“ oder „wahren“ Künstler darzustellen. Amateure sind dann die „Sonntagsmaler“. Niemand möchte so ein Amateur sein. Entsprechend gibt es Fotografen, die vor diesem Stigma offenbar viel Angst haben. Ob in Venedig, in Paris oder abends am Main in Frankfurt: Mit suchendem Blick, gerunzelten Augenbrauen und tüftelnden Fingern an der Kamera überschauen sie die Szenerie der Stadt, das Treiben auf den Plätzen und Märkten vom Rande aus. Der leicht skeptische Ausdruck und Rastlosigkeit kennzeichnen den Connaisseur. Durch seinen Habitus signalisiert er Kennertum. Am besten keiner merkt, dass er im Urlaub ist. Auf jeden Fall ist er etwas Besseres, als die gemeine Horde der anderen Touristen. Kenner sind technisch versiert und für alle Fälle ausgerüstet. Oft haben sie auch ein großes schweres Stativ und eine ganze Tasche mit Wechselobjektiven dabei. Es gilt aller Welt zu zeigen, dass man Profi ist und keinesfalls so ein ordinärer Amateur oder Handy-Knipser wie andere Leute.

Tatsache ist, Fotografieren macht Spaß! Wieso kümmert mich, was manche Leute denken? Amateurfotografie ist eine wunderbare Möglichkeit, um kreativ zu sein, Experimente zu wagen und Erinnerungen festzuhalten. Wichtig ist es dabei, den Fokus nicht nur auf Technik und Perfektion zu legen, sondern vor allem den Spaß an der Fotografie zu genießen und sich von Orten und Menschen inspirieren zu lassen. Vielleicht sind es gerade die Dilettanten, also die Amateure und alle Menschen, die etwas aus Leidenschaft betreiben, von denen man lernen kann: Begeisterung, Freude und Lust, etwas Neues zu entdecken. Ohne die Not, mit seinen Fotos Geld verdienen zu müssen. Ist das nicht viel schöner und zwangloser, als so mancher Profi?

Kostbarkeiten und Krimskrams.
Märkte in Palermo

Wie der Amateur, ist auch der Schnappschuss ein heimtückischer Vorwurf. Eventuell ist es sogar nicht einmal als Vorwurf gemeint. Den Amateur kann ich durch Begeisterung, Technik und Know-how vielleicht loswerden. Wie aber gehe ich mit dem Stigma „Schnappschuss“ um? Der Schnappschuss kommt ursprünglich aus der Jägersprache. Er bezeichnet einen Schuss, den der Jäger ohne sorgfältiges Zielen aus der Hüfte abgibt. Straßenfotografie ist per se Schnappschuss-Fotografie. Wenn ich hier anfange zu arrangieren, verfälsche ich doch die ganze Szenerie! Dennoch gibt es ästhetische Kriterien, es gibt Tricks und auch als Schnappschussfotograf kann ich meinem Glück gezielt auf die Sprünge helfen. Beispielsweise gibt es Menschen, die fotogen sind, andere, die einem das ganze Bild ruinieren können. Manchmal muss man eine Szene abschätzen, innerlich mitgehen und vorausschauend betrachten. Es gibt günstige Tageszeiten, besonderes Licht, pittoreske Situationen… 

Schnappschussfotografie, wie ich sie mag, funktioniert nur mit meiner Zorki. Mit einer teuren Leica könnte ich nicht so leichtfüßig und geschmeidig fotografieren. In zwielichtigen Gassen, nachts hinterm Bahnhof oder zu Fuß am Stadtrand würde mir mit einer teuren Fotoausrüstung manchmal mulmig. Die Auswahl für diesen Beitrag ist aus 418 Fotos bzw. 11 Filmen zusammengestellt. Hier möchte ich die für mich wichtigen Situationen der Reise zusammenfassen. Aber diese Arbeitsweise geht nur, indem ich Schnappschüsse auf 35 mm Film mache. Es ist der Kleinbildfilm, der es mir ermöglicht, Situationen zu erhaschen, etwas zu versuchen, Experimente und Vielfalt zu wagen. Mit Mittelformatkameras wäre das zu viel Aufwand. Da fotografiert man anders. Wenn mein Großvater in den 50er-Jahren mit seiner Rolleiflex nach Ägypten fuhr, hatte er am Ende vielleicht 3-4 Filmröllchen dabei. Er fotografierte sicher überlegter und sorgfältiger. 

Meer, Wellen und Gischt in Cefalù

Am Ende zählt das Bild als solches. Manche Fotos haben ein Eigenleben bekommen. Sie zeigen einen Augenblick, der von der ursprünglichen Situation entkoppelt ist. Dennoch sind sie auch typisch. Eine Madonnenstatue mit gebrochenem Sockel, geflicktem Hals und unzähligen Kratzern und Macken kann stellvertretend für ganz Palermo stehen, wenn man so mag. Eine schleichende Katze am frühen Morgen bei der Vucciria ist vielleicht ein bisschen wie der Fotograf selbst, der sich auf die Jagd nach neuen Motiven begibt. Solche Bilder möchte ich finden. Sie zeigen nicht nur das Motiv, sondern erzählen auch eine Geschichte. Fotografie kann helfen, das Besondere im Alltäglichen zu entdecken. Die Bilder, welche wir mit unserer Kamera festhalten, sind Erinnerungen und Kunstwerke in einem. Sie können uns in eine andere Welt entführen und ermuntern uns immer wieder neue Perspektiven und einen eigenen Umgang mit der Welt zu finden.