Über das Interessante

In den vergangenen Wochen habe ich oft Notizen gemacht und viel gezeichnet. Hier möchte ich einige dieser Zeichnungen zeigen und aus meiner Sammlung an losen Gedanken herausschreiben, was interessante Dinge, Situationen und Menschen charakterisiert.
Generell würde ich gerne behaupten, dass alles interessant sein kann. Interesse ist vor allem eine innere Haltung und liegt nicht allein in den äußeren Dingen, sondern vielmehr auch in unserer Fähigkeit durch Empathie, Begeisterung und Phantasie mit der äußeren Welt umzugehen und dadurch unsere eigene Welt zu erfüllen und zu bereichern. 

Aber ganz von Anfang an: Was ist interessant?

Interessant ist zum Beispiel etwas Besonderes: Außerordentlich groß, ungeheuer wertvoll, selten, kostbar, extrem… Gerade wenn wir es noch nicht so richtig begreifen und kein festes Bild haben, wird unsere Phantasie angeregt. 

Interessant kann aber auch sein, wenn man eine Sache besser versteht, die einen viel beschäftigt hat. Etwas, wo man starke Gefühle und auch Widerstände erlebt hat. Dann sind neue Aspekte dazu interessant: Lösungen, Instrumente, Tricks, Wege die mich weiterführen und mir helfen, mein eigenes Projekt daraus zu machen. Interessante Themen schaffen Sinn, bewegen mich und ich kann sie in meinem Leben anwenden. Aber auch unnützes Wissen kann interessant sein und unterhalten. 

Das Wie ist entscheidend. 

Interessant ist vor allem die Eigenschaft von etwas. Interessant ist, wie es aussieht, wie es reagiert oder wie es gemacht wird. Was es ganz konkret ist, ist indessen schnell langweilig. Das Wie kann unser Interesse wecken und spannend sein. Sowie uns etwas interessiert, sind wir auch schon dazwischen und nehmen teil. Wenn wir uns angesprochen fühlen und involviert sind, nehmen wir all die Facetten wahr, die unser Leben insgesamt reicher und lebhafter machen.  „Über das Interessante“ weiterlesen

Poetische Fotos aus Berlin

Küchentisch meiner alten Wohnung in Berlin

Fotos einer Stadt schaffen über die Zeit einen persönlichen Raum der Erinnerungen. Hier möchte ich meine Berlin-Fotos zusammenfassen. Nachdem ich früher zwei Jahre dort gelebt habe, bin ich inzwischen nur noch selten in Berlin. Aber bei jedem neuen Besuch mache ich natürlich neue Fotos. An sonnigen Sommerabenden ebenso wie an verregneten Novembermorgen…

In diesem Portfolio plane ich, eher wenige, aber besonders interessante Bilder aus Berlin zu sammeln. Mit jedem Besuch der Stadt kann diese Bildersammlung wachsen und um einige neue Fotos und Beobachtungen erweitert werden.

Wie Berlin ist, kommt darauf an wen man fragt. Berlin ist Party, Geschichte, Politik, viel zu groß, unfreundlich, gentrifiziert, Hauptstadt, das grüne Umland, international, kreativ, Techno, arm aber sexy, häßlich und grau…

Falls man der Stadt eine eigene Poesie zusprechen möchte, wäre es jedenfalls eher kein gemütlicher, heimelig-romantischer Zauber. Berlin ist nicht das Venedig des Nordens oder das Paris des Ostens. Aber etwas Eigenes ist Berlin auf jeden Fall.

Schnappschüsse der legendären LOMO LC-A:

Ein Kriterium für meine Auswahl war „poetisch“. Ich wollte „dichterische“ oder „lyrische“ Bilder aussuchen und meinte damit den Wunsch, in irgendeiner Form beseelte Fotos zu finden. Deshalb sind es auch nur analoge Fotos. Im Gegensatz zu digitalen Fotos wirken analoge Fotografien einheitlich, rund und mehr aus einem Guss. Wie eine Glocke ohne Sprung. Die Dinge scheinen in der physischen Bildebene aufzugehen und wirken eben nicht ausgeschnitten oder isoliert, wie es oft bei digitalen Fotos der Fall ist. Die Emulsionsschicht ist wie eine Luftschicht, ein freier Raum, von Licht durchflutet. Im Bereich der Emulsion ist die Atmosphäre zum leben und atmen für das Bild. Es wird nichts berechnet, reduziert oder korrigiert. Die bildgebenden Prozesse sind chemischer Zauber, alchemistische Verwandlung… Echte, analoge Fotos sind physische, beinahe haptische Bilder.

Schwarzweiße Fotos von Wänden und Spiegelungen: 

Oft will man zu viel. Dann muss man sich reduzieren. Aber worauf? Nach einer längeren Pause war ich im Herbst 2023 für drei Tage in Berlin und wollte fotografieren.

Das einzig Beständige ist der Wandel. „Poetische Fotos aus Berlin“ weiterlesen

Kunst der Nachhaltigkeit – Ausstellung in der Galerie der Global 3000 Group in Berlin

Herzliche Einladung zu unserer Ausstellung:
„Kunst der Nachhaltigkeit“

Von mir gibt es einen mit Kaffee entwickelten Handabzug vom Rhein zu sehen.
Im Sommer 2020 bin ich mit Fahrrad und Zelt immer weiter den Rhein hinauf gefahren. Dabei ist dieses Foto entstanden.
Weil ich zu wenig Entwickler (Caffenol) genommen habe, ist der Film (ORWO P400) ungleichmäßig entwickelt. In diesem Fall ein „Happy Little Accident“ – so tritt nämlich der Himmel plötzlich schön dramatisch hervor und ich habe ein analoges High Dynamic Range Foto (HDR-Bild, Bild mit hohem Dynamikumfang) geschaffen.  

Rheinarm, mit Caffenol entwickeltes, analoges HDR Foto

Mit Kaffee Filme zu entwickeln und von diesen Filmen ebenfalls mit Kaffee in der Dunkelkammer große Abzüge zu entwickeln, erscheint mir fast wie Zauberei. Komplett analog und weitgehend mit Verzicht auf komplizierte Chemikalien. 

Der Versuch sich zu reduzieren und alternative Wege zu suchen ist gerade in der Fotografie immer auch experimentell. Man lernt sehr viel über Materialien und Technik und bekommt durch die (nur scheinbare) Einschränkung ganz neue Möglichkeiten und überraschende Ergebnisse. 

Die Ausstellung mit Foto, Malerei, Zeichnung, Collage, Installationen, Objekte und Videos von 41 Künstlerinnen und Künstlern ist vom 4. September bis 2. Oktober 2020 in der Galerie für nachhaltige Kunst „Group Global 3000“, Leuschnerdamm 19 in 10999 Berlin Kreuzberg.

Link zur Ausstellung:
https://gg3.eu/de/kunst-der-nachhaltigkeit/

PROGRAMM: 

Vernissage 4.September 2020, 19:00 Uhr 

  • „Die Arbeit von GG3“: Tom Albrecht
  • Eröffnungsrede zur Ausstellung: Jule Böttner, M.A.
  • Whathappensnext Ensemble Berlin: Stimmen, Viola, Saxophon, Akkordeon 

Hier ein paar Farbfotos von unserer Vernissage:

Künstlergespräch 11. September 19:00 Uhr

Online-life-Vortrag 22. September 19:00 Uhr
„Nutzen, was da ist. Ein komplexer Ansatz für zukunftsfähiges Wirtschaften“, Dr. Corinna Vosse. Link zum dialogischen jitsy-meet ab 18:45 auf der Website

Finissage 2. Oktober 19:00 Uhr

Street Photography in Paris

Um eine fremde Stadt kennenzulernen, gehe ich am liebsten spazieren. Auf den Straßen, in der Metro, auf Plätzen und in Parks sieht man die Menschen, erlebt die einzigartige Architektur und findet all die Besonderheiten, die schließlich das eigene, selbst gewonnene Bild der Stadt ausmachen.

Millionen Touristen fotografieren jedes Jahr Paris. Es ist eigentlich nicht nötig, noch mehr Fotos von der Stadt zu machen. Es gibt fantastische Bildbände, Kalender, Poster und Postkarten. Aber so wie etliche Fotografen vor mir bin auch ich gerne in Paris. So wie die meisten anderen Besucher mit ein paar Tagen Zeit, mit Hotelzimmer und gutmütiger Urlaubskasse, habe auch ich einen touristischen, privilegierten Blick. Aber ich glaube durch diese Distanz und Muße, weil ich nicht so richtig dazugehöre, erlebe ich auch den besonderen Charme von Paris auf meine eigene Art.
Es ist eine prickelnde Leichtigkeit, Weltoffenheit und so ein unternehmungslustiger Optimismus, den die Stadt ausstrahlt. Die Luft scheint duftiger, die jungen Frauen anmutiger, die Bäckereien feiner und die Straßen lebendiger als anderswo. Ein bisschen davon möchte ich versuchen, in diesem Beitrag wiederzugeben.

Dieses Portfolio soll in mehreren kleinen Galerien eine Auswahl mit besonders geglückten analogen Fotos aus Paris zeigen. Sozusagen meine besten Bilder aus mehreren Aufenthalten. Sommer, Herbst, Frühling … Alles auf Film fotografiert und überwiegend mit meiner Lieblingskamera, der Zorki 4K. Aber auch die legendäre LOMO LC-A und die feine kleine Rollei 35 haben ihre eigenen Galerien beigetragen. Die Schwarz-Weiß-Filme  sind dabei teilweise sehr experimentell selbstentwickelt: mit Kaffee stundenlang gepusht oder auch mehrfach entwickelt und gebleicht. So finden sich hier für Freunde der analogen Fotografie manchmal auch Hinweise auf den Film und was ich damit gemacht habe.

Ich empfehle, einfach über die Galerien zu fliegen und nur einzelne Bilder in groß anzuschauen. Paris ist eine riesige Stadt und ein unerschöpflicher Quell an Eindrücken, Situationen, Düften, Geräuschen und Straßenszenen. So wie man sich manchmal in der Stadt überfordert fühlt, ist es auch hier viel zu viel, was man sich ansehen könnte. Es sind über 100 Fotos: Louvre, Montmartre, Eiffelturm, Straßen, Parks, Menschen, Frühling, Sommer, Herbst … Es reicht in Ruhe durch den Beitrag zu scrollen, vielleicht bleibt manchmal der Blick hängen. Am Ende wird man einen eigenen und vielleicht auch neuen Eindruck von Paris bekommen haben.

Auftakt erstes Foto, neuer Film. Ankunft in Paris. Brücke über die Gleise am Gare de l’Est

In einer großen und alten Stadt wie Paris kreuzen sich viele Wege. Besonders im kulturellen Bereich ist Paris ein führendes Zentrum und neben New York und London eine der wichtigsten „Global Citys“ der Welt. Solche Orte, wo viele Ströme zusammenfließen, sind spannend und pulsieren vor Leben und Energie.

„Wenn der liebe Gott sich im Himmel langweilt, dann öffnet er das Fenster und betrachtet die Boulevards von Paris.“ – Heinrich Heine

Ein neuer Tag, sonniger Morgen in Paris. Bei einem Spaziergang entlang der Seine bekommt man einen schönen ersten Eindruck von der Stadt.

Es macht Spaß mit Lieblingskamera und frisch eingelegtem Film durch die Straßen zu schlendern oder im Cafe zu sitzen und von einem kleinen Bistrotisch aus die Menschen zu beobachten.

Street Photography mit der Zorki 4K. 

Paris ist in vielerlei Hinsicht einmalig. Die Pariserinnen sind elegant, lässig, mit wuscheligen Haaren, schicken Outfits, und obwohl sie alle so cool aussehen, duften sie auch noch zauberhaft und wirken sehr feminin und zart. Es ist unmöglich, an den Bäckereien vorbei zu laufen, und wenn man eintritt, kommt man ganz bestimmt mit mehr Eclairs, Törtchen, Croissants und Baguettes heraus, als man ursprünglich wollte. Alles ist so schön und lecker … Die Straßen sind wie eine Bühne und Jung und Alt flanieren die Boulevards entlang und entspannen in den Parks. Es gibt viele Cafés und unkomplizierte Restaurants. Manche dieser Pariser Qualitäten klingen wie ein Klischee, aber vor allem im direkten Vergleich mit anderen Großstädten ist Paris doch trotz seiner Größe eine eher entspannte und angenehme Stadt und gut zu Fuß zu entdecken. „Street Photography in Paris“ weiterlesen

Titelfoto Analog Indien Caffenol Palolem Beach

Licht und Kaffee. Analoge Fotos aus Indien

Erfahrungen und Gedanken aus meiner experimentellen Laborküche auf Reisen. 

Übersicht meiner Filme für das Projekt in Indien

Inhaltsverzeichnis:

Reisen und Fotos gehören einfach zusammen. Speziell durch analoge Fotografie bekommen Erinnerungen in unserer digitalen Zeit eine ganz besondere Materialität, Poesie und eine fast schon haptische Wahrheit. 

In diesem Beitrag möchte ich meine analogen Fotos aus Indien zeigen und Notizen dazu niederschreiben: Gedanken über das Fotografieren, Kameras, die  verschiedensten Filme und wie ich mit Kaffee unterwegs in Indien in Hotelzimmern und Strandhütten Filme entwickelt habe und was mir dabei alles passiert ist. 

„Was ich sehe, ist nur ein kleiner Teil der Wirklichkeit. Alles ist Abstraktion. Schönheit entsteht erst in der Zuwendung“

Wie in einem Magazin soll diese Seite zum herumblättern einladen. Es ist nicht nötig all den Text zu lesen. Überfliegt einfach die Fotogalerien, schaut vielleicht einzelne Fotos genauer an und scrollt hin und her. Das Herzstück sind die mit Kaffee unterwegs entwickelten und direkt vor Ort eingescannten indischen Schwarzweißfotos. Interessant sind oftmals aber auch die Motive der Farbfilme und einfach wunderschön sind Licht und Farben der Diafilme. Auf das für jeden etwas dabei ist und auf das jeder etwas für sich mitnehmen kann. 

Erste Eindrücke von Mumbai. Mit Caffenol und Natron entwickelte Filme. Ein Spaziergang durch Colaba und erste Fotos aus dem Trubel und Gewusel des Bazar Distrikts: 

Reisefotos, wenn sie nur Orte dokumentieren sollen, sind schnell langweilig. Aber wenn sie mir etwas bedeuten, weil sie mich erinnern, weil sie etwas bestimmtes zeigen, dass mir aufgefallen ist, dann können sie interessant werden. Zeichnen und Fotografieren sind für mich deshalb das gleiche. Beides schafft einen Zusammenhang zwischen meinem Leben und den ganzen Ereignissen um mich herum. Beides ist ein Weg sich zu positionieren. 

Sightseeing in Mumbai – Ein Vormittag mit dem CineStill X-Pro 50 Daylight Film und der Zorki4K.

Im Foto wird der Augenblick zu Material. Und das Fotomaterial wird zum Zeitzeuge. Fotos sind immer auch eine Abstraktion und dadurch eine eigene Interpretation. Aber genau in dieser Materialität liegt auch ihre Schönheit. Die Vereinfachung, ausgewählte Details, kurze, flüchtige Momente, Eindrücke im Straßenleben können plötzlich fast ein bisschen sowas wie Ewigkeit und Wahrheit werden. Situationen werden herausgestellt, das Eigenleben der Dinge kann im Foto nachklingen.  „Licht und Kaffee. Analoge Fotos aus Indien“ weiterlesen

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Artists for Future – Ausstellung in der Galerie der Global 3000 Group in Berlin

Dieses Jahr habe ich angefangen Notizen zum Klimawandel zu machen.
Meine Fragen dabei waren beispielsweise, wie die Kommunikation über den Klimawandel effizienter gestaltet werden könnte, inwieweit es auch ein moralisches Thema ist, warum Menschen sich schon immer mit Weltuntergangs-Szenarien beschäftigt haben und warum seit so vielen Jahren nichts passiert.
Einige meiner Ideen und Gedanken habe ich zuletzt in dem Beitrag „Notes for Sustainability“ zusammengefasst.

Notizbücher Artists for Future

Neben den digitalen Formen gibt es aber natürlich auch die originalen Notizbücher – kleine Hefte voller Skizzen, Ideen und Bilder.
Mit diesen Notizbüchern versuche ich Themen zu finden und einzugrenzen. Gedanken werden kurz, auf ein bis zwei Seiten festgehalten und sind anschließend Grundlage für Texte und Serien mit eigenen künstlerischen Arbeiten, Malerei und Fotografie.

Aus diesen Heften sind beispielsweise viele Ideen für meine Beiträge zur Atomenergie, zum Wald und zur Kommunikation über den Klimawandel entstanden. 

Jetzt freue ich mich sehr, diese Notizen in der Galerie der Global 3000 Group in Berlin auszustellen. Es sind nicht nur kleine Hefte – dahinter stecken Ideen, Wünsche und Hoffnungen und vor allem bin ich auch sehr gespannt und neugierig die anderen Künstler kennen zu lernen. Ich freue mich auf den gemeinsamen Austausch und das Künstlergespräch am 15. November. Eine volle Zeit mit Ausstellung, Vortrag und Gesprächen…

Ausstellung “Artists for Future” in der Galerie der Global 3000 Group e.V.

Ort: Galerie der Global 3000 Group e.V.,
Leuschnerdamm 19, 10999 Berlin

TERMINE: 

Vernissage Freitag 1. November, 19:00 Uhr.
Tanzperformance: Olga Drachuk-Meyer: The Trial of Liberation
Das VLQ – Very Large Quartet singt a capella Folk- und Popsongs in beschwingten Barbershop-Arrangements.

Vortrag mit Gespräch Freitag 8. November, 19:00 Uhr,
Dipl.-Ing. Matthias Schnauss, Büro für Nachhaltige Entwicklung: “Suchbewegungen auf dem Weg zum Guten Leben. – Bisherige und aktuelle Nachhaltigkeitsbewegungen. Wie kann es weiter gehen?”
Ausstellung ab 17 Uhr

Künstlergespräch Freitag 15. November, 19:00 Uhr.
Künster/innen der Ausstellung stellen persönlich anwesend und per Skype ihre Werke vor und sprechen mit Gästen darüber.
Ausstellung ab 17 Uhr

Workshop Freitag 22. November, 17:00 – 19:00 Uhr:
Wie können Künstler/innen ihren ökologischen Fußabdruck verringern? Thema ist ihre Alltagspraxis, die Wahl ihrer Materialien, ihr Reisen und Transport. Moderation Tom Albrecht (In deutsch)
Ausstellung ab 17 Uhr

Ausstellung Freitag 29. November, 17:00-20:00 Uhr.
Die Künstlerin Alexa Helbig ist anwesend.

Tom Albrecht: Die Zukunft ist offen. Ein gemeinsames Würfelspiel um persönliche Visionen. Freitag 6. Dezember, 19:00 Uhr. 
Ausstellung ab 17 Uhr. Die Künstlerin Lioba von den Driesch ist anwesend.

Finissage Freitag 13. Dezember, 19:00 Uhr.
Yamka Muna mit Musik-Performance: equinoxtinction
Rosa Schmidt mit Hybrid Walking Act: INDIGO HABITAT/NORDOSTZIRKULATIONEN
Ausstellung ab 17 Uhr

Ort: Galerie der Global 3000 Group e.V.,
Leuschnerdamm 19, 10999 Berlin
U8 Moritzplatz, U1 Kottbussertor, M29 Oranienplatz, Bus 147 Michaelkirchplatz

Hier ein paar Eindrücke unserer Vernissage: 

Bon(n) Expérimental – Fotos aus Bonn

In diesem Beitrag möchte ich analoge fotografische Experimente und interessante Fotos sammeln. Gespickt wird das Ganze dazu nach und nach mit weiterführenden Beobachtungen und Gedanken.

Was ist ein gutes Foto?
Was macht es interessant?

Technische Leistungen sind auf jeden Fall interessant. Nach ausgeklügeltem Plan, vorab erprobt und schließlich von erfahrener Hand exakt ausgeführt…
Handwerkliches Geschick und wiederholbare Ergebnisse machen viel vom Wert einer fotografischen Arbeit aus.

Wo es gemacht wurde ist ebenfalls sehr wichtig. New York ist cooler als Bonn. Fotos von einer langen, exotischen Reise sind oft interessant und machen Spaß anzuschauen.

Wer es gemacht hat ist wie bei jedem Kunstwerk wichtig.
Fotos von Meistern und Pionieren wie Josef Sudek, Henri Cartier-Bresson oder Robert Frank sind per se Kostbarkeiten.
Schluss­end­lich kann auch die Kamera dem Foto einen gewissen Wert geben. Es gibt legendäre und berühmte Kameras, echte Klassiker.
Fotos einer Leica M oder einer Hasselblad 500er Kamera schauen wir allein deshalb ehrfürchtig an, weil sie mechanische, technische Wunderwerke und ziemlich teuer sind.

Die Fotos in den folgenden Serien erfüllen nicht eines dieser Kriterien. 

Technisch sind sie keinesfalls brillant: Meine Filme sind meistens nicht perfekt belichtet und einfach bei Raumtemperatur nach Bauchgefühl entwickelt.

Fotos aus New York habe ich zwar auch, für diesen Beitrag sammele ich jedoch nur fotografische Eindrücke im Radius meiner täglichen Fahrradrunden, aus Bonn.

Kein Ort ist langweilig, wenn du gut geschlafen und die Tasche voller unbelichteter Filme hast“ – Robert Adams

Ich bin keine Legende im Olymp der weltberühmten Fotografen und meine Zorki sieht zwar tatsächlich ein bisschen wie eine Leica aus, hat aber nur ein paar Euros gekostet.

Retro Kameras Zorki 4K„Das Unwichtigste bei der Aufnahme einer guten Rock ’n’ Roll-Platte ist die technische Ausstattung deines Studios“ – Keith Richards, Rolling Stones

Der Begriff Fotografie meint wörtlich „zeichnen mit Licht“.
Analoge Fotografie ist für mich ein bisschen wie Malerei: Das Bild ist aus einem Guss und hat in sich eine besondere Ganzheit, wie man sie auch in geglückten malerischen Arbeiten findet.
Wie in meinen gemalten Bildern, versuche ich auch meine Fotos einem Prozess auszusetzen. Die Spuren der Interventionen, verschiedene Einflüsse und materialimmanente Eigenheiten sind schließlich mit im fertigen Bild und machen es, wenn alles gut läuft, zu einem interessanten, authentischen und ein Stück weit wahreren Werk.

Der erste Film mit meiner mittlerweile heißgeliebten Zorki 4K Sucherkamera. Gleichzeitig auch mein erster selbst entwickelter Film.
Nach langem Kampf beim Einspulen im Wechselsack ist alles sehr stark zerkratzt. Außerdem hatte der Vorhang der Kamera ein riesiges Lichtleck, was ich erst anschließend mit Latex geflickt habe: 

Man kann seine fotografische Abenteuerlust auch ausleben, ohne weit weg zu fahren.

Spannend finde ich zum Beispiel, wenn man die Technik ins Extreme treibt: Was passiert bei winziger Blendenöffnung und langen Belichtungen, obwohl es von der Licht-Situation her auch moderat gemäßigt ginge?
Wie sehen vor Jahren abgelaufene Filme aus?
Was kitzle ich noch aus altem Entwickler und ausgelutschter Chemie?
Was passiert, wenn man seinen Film vor dem Entwickeln noch ein bisschen in der Mikrowelle brutzelt?

Mit Grüngelbfilter im Auenland. Ein Sommertag in der Siegaue: 

Infrarotfilm ist ein bisschen ähnlich, wie Grünfilter. An einem sonnigen Herbstnachmittag habe ich versucht mit meiner kleinen Rollei 35 möglichst scharfe Fotos im Kottenforst zu machen.
Die Kopfbuchen in der Waldau haben viele Strukturen, Rinde und kleine Äste, an denen man einen Fokus versuchen kann. Dennoch ist es mit der Rollei schwierig richtig scharfe Fotos zu machen.
Einerseits ist das Objektiv überhaupt nicht gutmütig, andererseits verwackelt sie sich leicht. So dass man theoretisch mindestens eine 125tel Sekunde mit Blende 8 bräuchte – wodurch die Fotos aber auch nicht schöner werden.
Ich mag weit geöffnete Blenden sehr, dafür muss man dann aber entweder sehr genau messen oder auf Nahaufnahmen verzichten.

Mit Infrarotfilm im Kottenforst. Ein sonniger Herbsttag bei den Kopfbuchen: 

Infrarot-Fotografie ist ein eigenes Thema und wenn man danach sucht, finden sich einige Experten und sehr informative Webseiten mit Tipps und Hintergrundwissen. Wesentlich für den Infrarot-Effekt ist zum einen ein Film, der bis in den Infrarotbereich sensibilisiert ist, andererseits braucht man aber auch einen Filter, der alle anderen Wellenlängen aussperrt, um das Infrarote Spektrum richtig gut sehen zu können.
Der Konica Infrared 750nm ist ein Schwarz-Weiß-Infrarotfilm, der bis weit in den Infrarotbereich sensibilisiert ist. Leider wird er nicht mehr hergestellt.

Hier habe ich mit der Zorki einen 2002 abgelaufene Infrarot-Film von Konica ausprobiert. Leider jedoch furchtbar überbelichtet. Nach all den Jahren und durch meinen tiefroten IR-Filter hindurch hätte ich nie gedacht, dass er noch so empfindlich ist.
Nach der sommerlich heißen Entwicklung im Kaffebad war der Film einfach nur rabenschwarz. So habe ich den ganzen Film anschließend gebleicht und auf Sicht ein zweites Mal kürzer entwickelt. Mit offener Blende und durch all diese Prozesse sind es sehr weiche, traumartige Fotos geworden.

Am Rheinufer und bei der Siegmündung mit abgelaufenem Infrarotfilm und tiefrotem, sehr dunklem 720nm Filter.

Vor allem Himmel mit Wolken werden mit Gelbfilter dramatisch. Allerdings ist der Adox CMS 20 II Film sowieso sehr kontraststark. In dieser Serie sind Fotos aus dem Kottenforst, mal mit und mal ohne Gelbfilter. Beim Abendhimmel im Gegenlicht über der Bonner Oper war z. B. kein Filter im Spiel, trotzdem wirkt er sehr dramatisch.

Dramatische Fotos, mit und ohne Filter: Adox CMS 20 II Film mit der Frankenstein-Zorki und Jupiter 12 Objektiv. 

Die Experimente sind für mich kein Selbstzweck. Trotz all den Abenteuern steht dahinter dennoch immer der Wunsch ein geglücktes Bild zu schaffen. Ich suche neue interessante Bilder und möchte mit diesen Experimenten etwas Schönes, Ungewohntes und Neues entdecken.

„Nur ein Narr macht keine Experimente“ – Charles Darwin

Die meisten Aufnahmen sind mit meinen alten russischen Zorki 4K Kameras entstanden. Ich habe inzwischen ziemlich viele Objektive, alle sind Festbrennweiten mit 35, 50 und 85mm.
Als Zweitkameras habe ich eine kleine Rollei 35, welche immer mit dabei ist. Außerdem eine Kiev 4 und eine LOMO LC-A, die klassische Schnappschusskamera.

Selfies meiner Kameras. Die Zorki hat einen Selbstauslöser: 

Fotos fangen den Moment ein. Fotos geben aber nie die Wirklichkeit wieder, weil sie immer anders als die Wirklichkeit sind. Auch wenn scheinbar alles richtig gemacht wird, ist ein Foto dennoch immer eine Abstraktion. Deshalb wird es für mich auch gerade da interessant, wo das Foto seine Grenzen erreicht, wo es im technischen Experiment ein eigenes Bild schafft.
„Falsche“ Belichtungen, sehr empfindliche Filme, Kratzer und Spuren der Wechselwirkung mit dem Medium schaffen eine eigene Foto-Realität, die ich mit diesen Bildern hier suche.

Im Atelier, unterwegs mit dem Rad und auf dem Frankenbadplatz mit einem ziemlich hart entwickelten Adox HR-50 Film: 

Bei der analogen Fotografie gibt es mindestens drei Variablen, die das Foto extrem verändern können.

  1. Die Belichtung in der Kamera. Film, Blende und Zeit.
  2. Die Entwicklung des Films. Verdünnung der Chemie, Zeiten und Temperatur.
  3. Die Abzüge in der Dunkelkammer bzw. die Digitalisierung der Fotos.

Wenn man „hybrid“ arbeitet, werden die Fotos digitalisiert. Das ist heutzutage sinnvoll, weil man die Fotos ja in irgendeiner Form mitteilen möchte und über das Internet erreicht man nun mal sehr viele Menschen.

Wer seine Fotos am Computer bearbeiten würde, hätte schließlich noch eine vierte Variable und die Möglichkeit dabei fast alles zu verändern.

Eine sonnige Radtour am Rhein, von Bonn bis Rolandseck.
Für die Belichtung dieses Rollei RPX 100 Films habe ich versucht immer nur extreme Blenden-Öffnungen zu wählen und dafür richtig lang zu belichten. Anschließend wurde in altem, ziemlich ausgelutschtem aber sommerlich warmem Entwickler entwickelt. 

An einem verstrahlten Sommertag habe ich meine alten Entwickler zum Wertstoffhof gebracht.
Hier sind nun Fotos einer kleinen Tour durch Bonn, allerdings oft mit sehr weit geöffneter Blende ziemlich heftig überbelichtet.

„Es geht um schnelle und sparsame Heuristiken – einfache Regeln für Entscheidungen, wenn die Zeit drängt und gründliches Nachdenken ein unerschwinglicher Luxus ist. Diese Heuristiken können sowohl lebenden Organismen als auch künstlichen Systemen ermöglichen, kluge Entscheidungen, Klassifikationen und Vorhersagen zu treffen, indem sie begrenzte Rationalität anwenden.“ –  Simple heuristics that make us smart, Gigerenzer und Todd

Auch wenn das nicht die besten Fotos sind, lernt man gerade durch solche Versuche sehr viel, finde ich. Bis man irgendwann ein relativ zuverläsiges Gespür für Licht und die beste Belichtung hat, ist es eben ein Weg mit viel Trial & Error.

Der JCH StreetPan 400 Film ist ein ziemlich teurer Film, der ursprünglich von AGFA entwickelt wurde und speziell für die Street Photography und schnelle Situationen gedacht ist.
Auffällig ist der puderige rabenschwarze Look. Das Bild erinnert fast an eine Kohlezeichnung. Himmel wirken herrlich dramatisch, wenn man ihn etwas unterbelichtet. Allerdings gibt es dann gleichzeitig in den Schatten schnell keine Zeichnung mehr. Es ist eigentlich kein gutmütiger Film mit einigen Überraschungen. Zweimal ist er mir beim Entwickeln völlig missraten – natürlich war ich immer selber schuld, dennoch: Irgendwie bleibt er eben zickig und knifflig. Trotzdem habe ich ihn immer wieder gerne dabei.

Hier eine Auswahl von meinen Streifzügen mit der Zorki und dem JCH Streetpan durch Bonn und Bornheim. 

Der Dynamikumfang eines Negativfilms ist enorm!
Theoretisch muss man sich wirklich nicht groß um eine korrekte Belichtung sorgen. Mit einem gutmütigen Scanner kann man aus fast allem noch etwas heraus kitzeln.
Praktisch ist die Belichtung natürlich wichtig, weil der Film sonst aussieht wie Griesbrei (überbelichtet) oder viel zu flach und wenig dicht ist (unterbelichtet). Trotzdem: Besonders in Schwarzweißfilmen ist oft viel mehr Information, als man sie in einem einfachen digitalen Foto ausdrücken könnte.
Mein Scanner hat deshalb beispielsweise auch die Möglichkeit mit der Funktion „Multi-Exposure“ den Dynamikumfang des Negativs durch einen 2-fach-Scan besser zu erfassen.
Hier ein Blick ins Kaleidoskop am Beueler Rheinufer, mit einem JCH StreetPan 400 Film. Es ist immer das selbe Foto, nur die Helligkeit des Scanners wurde verstellt: 


In der sehr feinen Bonner Südstadt habe ich versucht einmal alles ganz korrekt zu machen. Hier habe ich einen Fuji Neopan Acros 100 Film genommen, mit Hand-Belichtungsmesser ordentlich belichtet und exakt entwickelt.
Es war der erste Film mit meinem neuen Jupiter-12 35mm Objektiv und ich wollte wissen, was es kann. 

Der Nachfolger dieses sehr feinen Films ist der Fuji Acros II. Allerdings wird der ziemlich schnell grob und sehr viel weniger fein, wenn man überbelichtet bzw. zu lange entwickelt.
Beim alljährlichen Hochwasser habe ich Fotos mit sehr unterschiedlicher Belichtung gemacht und das ganze danach in Caffenol CL entwickelt.

Der Fujifilm Neopan Acros 100 II Film etwas zu lange in zu heißem Kaffee entwickelt. Nur noch unterbelichtete Fotos sind fein. 

Hier habe ich mein geliebtes Jupiter 9 Objektiv auf eine Zenit 3m Spiegelreflexkamera mit M39 Bajonett geschraubt. Es ist zwar dasselbe Bajonett wie auch bei den Zorkis, aber das Objektiv ist bei der Zenit Kamera weiter vorne – Helios wären die passenden Objektive für eine Zenit… Dadurch, dass es zu weit vorne sitzt, kann man das Jupiter 9 auf der Zenit nicht mehr unendlich scharf stellen. Im Nahbereich ergeben sich aber plötzlich ganz neue Möglichkeiten: Bei Blende 2 kann man bis zu 50 Zentimeter nah an die Dinge ran! Das wollte ich ausprobieren!
Entscheidend für die Feinheit der Fotos ist nicht nur die Entwicklung, sondern auch die Belichtung. Es war ein grauer Frühlingstag im Botanischen Garten, so habe ich alle Fotos mit einer 125tel Sekunde bei Blende 2 gemacht. Im Unterholz herumkriechend, bei Makroaufnahmen ist das Licht naturgemäß eher schummrig…

Für mein Makro Experiment mit dem Jupiter 9 Objektiv habe ich den sehr feinkörnigen Mikrofilm Agfa Copex Rapid in Spur Nanotech UR Entwickler (1:14 Verdünnung) entwickelt. 17 Minuten bei 30 Grad (!). 

Ein sehr spannender Film ist der hochauflösende SPUR Ultra R 800, der eine Auflösung von 800 Linienpaaren pro Millimeter verspricht. Hier wie empfohlen mit dem dazu passenden Spur Nanotech UR Entwickler entwickelt.

Altweibersommer in Bonn mit superfeinem SPUR ULTRA R 800 Film. Mit dem Helios 44 Objektiv und möglichst offener Blende fotografiert. 

Auf nur 200 Meter habe ich an einem sonnigen Herbsttag eine ganze Rolle Spur Ultra R 800 mit meiner Zorki4K und dem 85mm Jupiter 9 Objektiv fotografiert. Wenn man zwischen all den Experimenten hin und wieder einmal versucht, alles richtig zu machen, wenn man sich bemüht, so exakt wie möglich zu fotografieren, erkennt man ganz gut die eigenen Grenzen und den Rahmen, den das Material stellt. Diesen Film habe ich für 25 ISO mit Spur Nanotech UR entwickelt.
Gut fand ich schließlich auch den Tipp, den Film eher kürzer im Netzmittel zu baden (ungefähr 30 Sekunden) und danach vorsichtig mit der weichen Seite eines Küchenpapiers abzustreifen. So hat man tatsächlich überhaupt keine Flecken oder Streifen auf seinen Negativen. Mit Abstreifzangen dagegen habe ich bisher nur sehr böse Überraschungen erlebt und würde jedem dringend vom Gebrauch abraten.

Ein Herbstnachmittag am Rheinstrand in Niederdollendorf mit SPUR Ultra R 800 und Jupiter 9 Objektiv. 

Wenn alles klappt, ist der Film WASHI-F sehr fein und mit schönem Kontrast. Überbelichtet oder überentwickelt wird der Washi-F dagegen schnell sehr grobkörnig. Es ist ein vergleichsweise kniffliger Film, der Belichtungsfehler nicht so leicht verzeiht wie z. B. mancher Film von Ilford. Obwohl man ihn tatsächlich ähnlich entwickeln kann wie den Ilford FP4+.
Das besondere an diesem Film ist die fehlende Lichthofschutzschicht.  Das kommt besonders beim leuchtenden Schwan zur Geltung. Aber auch die Bäume im Auenwald werden rechts und links deutlich überstrahlt.

Ein leuchtender Schwan, Frühling und Blüten mit der Zenit3M und Helios Objektiv auf dem Film Washi-F. Zum Vergleich mit der Caffenol-Entwicklung, die als alternatives Rezept weiter unten beschrieben wird, habe ich hier eine Semi-Standentwicklung mit FX-39 Entwickler genommen. 1+16 Verdünnung, 16,5 Minuten bei 21 Grad. 


Auch vor einem Experiment wird geplant, dabei wird aber eine gewisse Offenheit des Ergebnisses bewahrt. Übertragen könnte man sagen, dass das experimentelle Arbeiten die ökonomischen Minmal- und Maximalprinzipien aushebelt.
Aus einer experimentellen Arbeit kann viel mehr entstehen, als man sich vorher gedacht hat und als erwartet wurde. Mit etwas Fürsorge und mit ein bisschen technischem Einfühlungsvermögen können die meisten Ergebnisse weiterverwendet werden.

Überentwickelte Schwarzweißfilme kann man mit einem Bleichbad zurück in Silbersalz verwandeln. 

Nach dem Bleichbad hat man dann die Chance das Foto neu zu entwickeln.
Entwickelt man die gebleichten Fotos jedoch anschließend zu kurz, wäscht der Fixierer das ganze verbliebene Silbersalz aus dem Film und die Bilder sind unwiederbringlich zerstört.

Hier einige Zwischenschritte hin zur völligen Auslöschung des Bildes: 

Nutzt man die Bleiche für Schwarzweiß Filme nur ein bisschen, wie z.B. einen Farmerschen Abschwächer, entstehen auf den unvollständig gebleichten Filmstreifen Schlieren.

Bonn mit riesigen malerischen Schlieren:

Will man zu dunkle Fotos korrekt bleichen, muss man den Film immer vollständig zurück in Silbersalz verwandeln und dann neu entwickeln, bis es paßt. Das geht aber bei Licht, auf Sicht, und funktioniert prinzipiell sehr gut. Allerdings ist das ganze Prozedere mit einem hohem Risiko von Kratzern und neuen Macken verbunden.

Ein sonniger Nachmittag im Juni in Bonn Beuel führte mich zu einem erneuten Versuch mit Bleiche.

„Man muss das Unmögliche versuchen, um das Mögliche zu erreichen“ – Hermann Hesse

Ich mag Fotos mit möglichst weit geöffneter Blende besonders, weil sich das fokussierte Feld dann stark eingrenzt. So bleibt viel freier Raum für die Materialität des Objektivs, für Vignetten, Verzerrungen, Abstraktionen und all die anderen schönen materialimmanenten Vergröberungen. So bekommen die Fotos oft einen traumartigen, malerischen Look. Für mich nenne ich diesen Effekt immer „Locked-in-Charakter“, weil der Blick im eingeschränkten Fokusfeld des Bildes gefangen wird und sich die Welt drumherum immer mehr verliert.

Normal belichtete, ungebleichte Fotos als Referenz: 

An einem sonnigen Nachmittag sind die Fotos mit extrem offener Blende auch schnell heftig überbelichtet. Bei zu sehr sonnengetränkten Negativen kann sich auch ein sehr gutmütiger Scanner nur mühsam durchnagen. Die Bilder sind extrem grobkörnig.

Überbelichtete Fotos aus Bonn Beuel: 

Solche Fotos, die fast schon unlesbar schwarz aus dem Film herausstechen, habe ich hier gebleicht und anschließend erneut kürzer entwickelt. Quasi eine art improvisierter Pull-Entwicklung.

Gebleichte, neu entwickelte Fotos aus Bonn Beuel: 

Am Rheinufer in Bonn Beuel war ich mit verschiedenen bunten Folien unterwegs. Gelb, Rot, Grün und Blau…
Durch die Folien und mit weit geöffneter Blende sind weite Teile der Fotos nicht sehr scharf. Die Unschärfe in Kombination mit der heftigen Überbelichtung und der ungleichmäßigen Entwicklung nach dem Bleichen ergibt verstrahlte sommerliche Eindrücke. Wie verblassende Erinnerungen an einen etwas beschwipsten Sonnentag.

Gefilterte, überbelichtete, gebleichte und zweifach entwickelte Fotos vom Rheinufer in Bonn Beuel: 

Ein fotografischer Film ist unglaublich viel dynamischer, als man es digital in einem Foto ausdrücken kann. Selbst im schwarzen Schatten schlummern noch Formen – wenn man heller scannt. Im strahlend weißen Himmel dagegen sind bei dunklerer Belichtung plötzlich Wolken und Vögel.

Auf unserer Vernissage im Kult41 habe ich mit einem Ilford Delta 400 Film einfach normal aus der Hand fotografiert und den sehr unterbelichteten Film anschließend länger entwickelt, also „gepusht“.
In diesem Fall erkennt man trotzdem nicht viel mehr als ein paar Bilder an der Wand, den Hund und das letzte Glas Prosecco: 

Wenn Entwickler alt ist, muss man länger entwickeln. Ein bisschen Zauberkraft ist oft aber noch übrig. Diesmal war es sogar so viel, dass ich den mit nur 6-9 ISO extrem unempfindlichen ORWO DP31 einfach aus der Hand belichten konnte.

Mit altem Atomal gepushter 9 ISO Film – Das Hochwasser in Bonn am Rhein: 

Der gleiche Film (Orwo DP 31) an einem der ersten warmen sonnigen Frühlingstage.
Diesmal mit Caffenol C-L 70 Minuten bei 23 Grad standentwickelt: 

Durch digitale Verarbeitung kann man auch aus sehr unglücklichen Aufnahmen noch etwas rausholen und selbst der allerletzte Teststreifen oder ein missglückter Handabzug taugt zumindest vielleicht noch für eine Collage oder als Lesezeichen (Maximalprinzip).
Gleichzeitig wird man durch das Experiment auf jeden Fall ein Ergebnis erzielen und bei einer Auswahl von sagen wir mal 36 Fotos ist mit Sicherheit eines dabei, was der ursprünglichen Intention nahekommt und das gewünschte Ziel erreicht (Minimalprinzip).


Viele Scanner haben eine automatische, eingebaute Farbkorrektur. Auch wenn man seine Negative in den Fotoladen bringt, sehen die Abzüge je nach Laden teilweise sehr unterschiedlich aus.

Farbtest – Bild mit vielen verschiedenen Farben im Atelier

Aber wie ist denn nun das ehrliche, echte Bild? Was ist das Original?

Wir wollen Kunst am liebsten pur, rein und unverfälscht. Kein Zucker im Wein, kein Glutamat im Essen und kein Filter im Foto. Die Frage ist nur: Wo fängt das an und wo hört es auf? Allein im Spiel zwischen den drei oben genannten Hardware-Variablen kann ich sehr weit gehen.

Ziemlich ehrliche Farben findet man beim Diafilm. Da der Film positiv ist, kann man die Bilder zumindest einfach nachvollziehen. Mit meiner Zorki und dem sehr feinen Fuji Velvia 50 Film habe ich herbstliche Radrunden gedreht und versucht möglichst „echte“ Farben einzufangen.

Herbstfarben, Abendsonne und Langzeitbelichtungen auf diesen Dias vom Rhein und aus Bonn. Der Fuji Velvia 50 ist ein sehr feiner Film und wenn man ihn korrekt als Diafilm umkehrentwickelt, bekommt man knackige, schwarze Filmstreifen mit überaus brillanten Fotos: 

Außer den wunderschönen Farben sind auch die Kontraste im Diapositivfilm bemerkenswert. An einem sonnigen Wochenende Anfang November bin ich erneut mit einem Fuji Velvia 50 auf die Suche nach „echten“ Herbstfarben gegangen. Diesmal mit Helios 44 Objektiv auf einer alten Zenit 3M Spiegelreflexkamera. 

Auf Fotos mit dem Fujicolor Industrial 100 Film fand ich besonders die Rot- und Grüntöne interessant. Außerdem wirkten alle Farben seltsam kühl. 
Bei einem Spaziergang mit der Zorki durch die Stadt habe ich hier versucht möglichst viele bunte Dinge zu fotografieren. In frischer Chemie und ganz nach Standard entwickelt. 

Alle Fotos, auch wenn sie versuchen nah an die Wirklichkeit zu kommen, sind immer Abstraktionen. Sei es im Schatten oder im Licht, seien es stürzende Linien oder der Winkel des Objektivs… Es ist immer nur ein Ausschnitt, es ist immer anders und immer nur ein Teil des Ganzen.
Als Fotograf muss man sich entscheiden. Das Foto isoliert, wählt und grenzt dabei immer auch vieles aus. Gerade die Reduktion, der Fokus, die Unschärfen, Komposition und kleine Details machen den Reiz einer Fotografie aus.

Für ein Foto treffen ganz bestimmte Bedingungen in einem kurzen Moment zusammen. Im nächsten Moment kann alles schon ganz anders sein, und während wir uns immer weiter in der Gegenwart erleben, werden die Fotos mit der Zeit immer mehr Erinnerungen.

Um zu schauen wie sich die Kiev 4 mit Jupiter 8 Objektiv im Alltag behauptet, habe ich einen ganz normalen, neuen Kodak Portra Film genommen und diesen anschließend ordentlich, nach Rezept in frischer Chemie entwickelt:

Wie gutmütig Farbchemie sein kann, dachte ich ein Jahr später. Der gleiche Film, die gleiche Jahreszeit… Diesmal mit der Zorki.

Hier ein paar Eindrücke auf Kodak Portra Farbfilm mit dem Jupiter 8 Objektiv. Bei 38 Grad selbstentwickelt mit ein Jahr alter, in halb vollen Flaschen gelagerter Tetenal-C41 Chemie… 


Eine meiner ersten Kameras war eine Kodak Klappkamera. Im Studium habe ich einmal eine Runde mit diesem antiken Gerät gedreht und unser Wohnheim, das Schloss in Alfter fotografiert. 
14 Jahre später fand ich das belichtete Film-Röllchen in einer alten Schachtel und habe es im Atelier selbst entwickelt.
Weil ich keinen Einsatz für 120er Rollfilme habe, habe ich mir aus einer LED-Lampe einen Durchlicht-Aufsatz gebastelt und die Negative im Epson Scanner eingelesen. 

Nachdem die Klappkamera viele Jahre lang nur Dekoobjekt war, klemmte der Verschluss immer öfter. Irgendwann war es mir ehrlich gesagt zu dumm und zu schade um das Filmmaterial. So habe ich sie verschenkt.

Die Kirschblüte in Bonn auf 120er Rollfilm. Die letzten richtigen Fotos meiner antiken Kodak Klappkamera: 


Mit der LOMO Lubitel 166 von einem Freund und vor 16 Jahren abgelaufenen Film habe ich einen „geschenkten Spaziergang“ gemacht – wo alles umsonst ist und wo man nicht genau weiß, was passiert… Da es eine Mittelformat Kamera ist, bekomme ich mit meinem Scanner theoretisch sagenhafte 100 Megapixel! Praktisch ist das Objektiv nicht so scharf und verzerrt gerade die Ränder sehr. Dennoch war ich von der Auflösung ziemlich beeindruckt. Und das trotz uraltem 400 ISO Film…

Alter, abgelaufener Mittelformat-Film mit Caffenol entwickelt: 

Später habe ich mit der LOMO Lubitel 166 Doppelbelichtungs-Experimente gemacht. Das geht sehr gut – man dreht einfach den Film nicht auf, sondern knipst munter immer weiter…
Bei sehr kleiner Blendenöffnung habe ich so teilweise 7 Fotos vom immer selben Motiv gemacht. So wollte ich Bewegung festhalten… Tja. Obwohl die meisten dieser Fotos letztendlich doch zu sehr verwackelt sind, haben sich zum Glück auch sehr malerische Effekte ergeben.

Mehrfache Belichtungen mit LOMO Mittelformat-Kamera: 


Vor genau 30 Jahren ist dieser Fomapan F17 Film abgelaufen, den mir eine Freundin aus Tschechien mitgebracht hat. Im Beipackzettel waren handschriftliche Notizen, was ich irgendwie sehr rührend fand. Irgendjemand muss sich da früher viel Mühe gemacht haben und hat in allen Filmschachteln etwas korrigiert.

Diana F Plastikkamera und im Jahr 1991 abgelaufener Fomapan F17

An einem milden Herbstabend bin ich mit einer Diana-F-Plastikkamera nach Wesseling geradelt und habe ihn verknipst. Es wurde schon dunkel. Meine Belichtungszeiten waren immer so: 21…22…23…24…25… usw.  bis ich das Gefühl hatte, das genügend Zeit vergangen sein könnte.

Das Gute an der Caffenol Standentwicklung ist, dass sich der Film nimmt, was er braucht. Es ist ein sehr ausgleichendes Entwickeln über 70 Minuten bei 20 Grad in Caffenol C-L. Letztendlich sind es so viele Variablen: Ich hatte keine Ahnung, wie der Film gelagert war, die Belichtungszeit, die Stärke des Espressos – weil mein Instantkaffee alle war, habe ich selber gebrüht…
Nur bei der Temperatur bin ich inzwischen immer pingeliger geworden, weil zu heißes Caffenol wirklich fiese krisselige Überentwicklungen machen kann.

Im Vergleich zum zögerlich-knurpselnden Klappern der Mittelformatkameras, ist das laute Schnappen der Zorki-4K eine wahre Freude. Der Verschluss von meiner Zorki knallt jedenfalls so resolut zu, wie eine russische U-Bahntüre. «Осторожно, двери закрываются!»

Eine Kamera liebt man einfach – oder man lässt es bleiben. Ich liebe meine Zorki sehr. Ich mag das laute Schnappen des Verschlusses, ihren Geruch, den großen hellen Sucher. Ich finde sie auch sehr hübsch… Dagegen hat es meine Kiev 4 nicht so leicht. In Kombination mit dem Jupiter 8 Objektiv ist die Kiev eine feine Kamera: Viel leiser als die Zorki und präziser scharf zu stellen. Allerdings ist der Sucher auch viel kleiner. Das Design ist schön, klassisch und sogar mit Belichtungsmesser; trotzdem mag ich sie nicht so gerne.
Dass diese Sympathien und Antipathien wirklich nur Geschmacksache sind, wollte ich in einem Test überprüfen. Für beide Kameras habe ich glücklicherweise das gleiche Objektiv, ein Jupiter-12 mit 35 mm Brennweite.

Der ultimative Battle: Zorki vs. Kiev! Zweimal das gleiche Objektiv (Jupiter 12), zweimal der gleiche Film (Kodak Gold) und beide gleichzeitig im selben Döschen entwickelt. Immer das gleiche Motiv, immer die gleiche Blende/Zeit.
Oben sind die Fotos der Kiev, 
unten die Fotos der Zorki: 

Manchmal denke ich, Kameras sind ein bisschen wie Haustiere. Und so geht es mir dann auch mit der Kiev. Sie braucht mal wieder frische Luft, Sonne und Bewegung. Nicht dass sie noch einrostet und Fungus bekommt … So versuche ich alle meine Kameras hin und wieder auszuführen. Über die Jahre hat die Kiev-4 ein Lichtleck rechts oben an der Seite bekommen. Dort, wo der Film aufgerollt wird. Das habe ich bemerkt, weil alle Fotos an exakt derselben Stelle von einer Lichtgestalt heimgesucht wurden, im letzten Foto jedoch alles gut war. Manchmal passt es ganz schön dazu. Trotzdem werde ich sie wohl bald reparieren.

An einem der ersten sonnigen Frühlingstage mit der Kiev-4 am Rhein. Der ADOX CHS 100 II in ADOX FX-39 bei 1:19 Verdünnung für 14 Minuten bei 20° entwickelt.

Aus fast allen gefundenen Dingen kann man mit etwas Aufwand immer etwas Eigenes machen und gerade aus dem technischen Widerstand und der Eigenart des Materials ergeben sich oftmals neue interessante Lösungen. So kann auch ein Light Leak als Kompositionselement dienen und dem Bild eine weitere Ebene zufügen.
Zusammenhänge erkennen, auswählen, gruppieren und in einen anderen Kontext setzten: Das sind alles auch ästhetische Vorgänge. Es ist schön, wenn man versucht, Dinge oder Fotos zu retten und das beste aus etwas machen kann.


Das Jupiter 9 Objektiv ist eigentlich wunderschön und sehr lichtstark. Dumm nur, wenn man es auseinander baut.

Alles was schief gehen kann: Kaputter Vorhang der Zorki und falsch zusammengeschraubtes Objektiv. Das komplette Loser Team! 

Es hat mich mehrere Tage und viele Nerven gekostet alles wieder exakt zusammen zu bekommen. Hier der erste unscharfe Film aus der Versuchsphase. Kodak TRI-X 400 an einem Sonntag während der Corona-Zeit.

Um die Fehlfokussierung von meinem Jupiter 9 Objektiv zu korrigieren, habe ich mehrere Filme verbraucht und ein paar Tage immer wieder geschraubt, neue Abstandsringe eingesetzt und ausgetauscht.

Die Objektiv Kalibrierung (Kollimation) ist eine kniffelige Arbeit und bereits ein halber Millimeter verschiebt den Fokuspunkt bei Blende 2 um mehrere Zentimeter.
Vermutlich würde das ganze mit einer Digitalkamera und M39 Adapter (Leica-Mount) leichter gehen, dann kann man es quasi live machen… Ich habe mir zunächst für die grobe erste Richtung ein Ölpapier gebastelt und an die Rückseite der Zorki geklebt.

Wichtig ist, dass das Objektiv auch bei Blende 2 so scharf stellt, wie es anzeigt:

1,15 | 1,3 | 1,5 | 1,8 | 2 | 2,2 |  2,5 | 3 | 3,5 | 4 | 5 | 6 | 8 | 12 | 25 | ∞