Nicht nur im Märchen kann man sich im Wald verlieren. Wald bedeckt ein Drittel unseres Landes und ohne menschliches Zutun wäre ganz Deutschland tief unter einem riesigen Wald versteckt.
Der „Deutsche Wald“ ist voller Romantik, Sehnsüchte, Ängste und überhaupt kulturell sehr aufgeladen. Ein Spaziergang durch den Wald macht beschwingt, vergnügt, frohgemut und munter.
Wie z.B. das Genre „Porträt“ bietet auch der Wald unendlich viele künstlerische Motive. Joseph Beuys Kunstwerk „7000 Eichen – Stadtverwaldung statt Stadtverwaltung“ war exemplarisch für die 80er Jahre. Auch heute gibt es an vielen Orten Waldkunstpfade und Künstler, die sich mit Wald, Holz und allem was dazugehört beschäftigen.
Die Verbindung der Lebewesen untereinander ist, neben der Funktion des Einzelnen, Teil des Systems Wald. Mit Aquarell und Tusche habe ich erste Eindrücke vom Wald als ganzheitlichem Ökosystem festgehalten. Hier eine Auswahl mit Arbeiten auf Papier, alle 36 x 48 cm
Ich habe mich mit dem Wald beschäftigt, weil der Wald für mich der Inbegriff für Natur ist. Will ich Natur erleben, gehe ich in den Wald. In Deutschland haben wir herrliche Laubwälder, finstere Nadelwälder, große Naturschutzgebiete… Neben fast jeder Stadt ist auch ein Wald, der als „grüne Lunge“ und als Naherholungsgebiet dient. Bei all den Waldflächen überall mag man dann auch kaum glauben, dass es hier schon sehr lange kaum noch völlig „natürliche“ wilde Wälder gibt. Die meisten Wälder gehören jemandem und werden intensiv genutzt. Forstwirtschaft und Jagd folgen festen Regeln und Abläufen und prägen quasi sämtliche bewaldete Flächen in Deutschland und überhaupt in weiten Teilen der Welt.
Ein Wochenend-Spazierganz durch den Wald. Bewaffnet mit einer alten analogen Kamera war ich hier in der Eifel unterwegs.
Im Kontext des Klimawandels kommt dem Wald als natürlichem CO2-Speicher eine bedeutende Rolle zu. Aber was ist ein Wald? Wenn man über den Wald spricht, muss man eigentlich über seine natürlichen Qualitäten sprechen. Einfach nur Flächen, auf denen Bäume stehen, gibt es nämlich viele. Und Baum ist nicht gleich Baum – eine 35 Meter hohe Fichte speichert etwa 2,6 Tonnen CO2, eine Buche wegen ihrer höheren Holzdichte deutlich mehr. Außerdem ist auch der Humus des Waldbodens ein hervorragender Speicher.
Das ganze Ökosystem Wald ist nützlich und funktioniert wie ein Schwamm: Ein natürlicher Wald kann CO2 speichern. Wenn menschliches Eingreifen, Land- und Waldwirtschaft dagegen Druck auf den Wald ausüben, gibt der Wald Treibhausgase zurück in die Atmosphäre. Degenerierende Waldböden lösen das in Pflanzen- und Biomasse gebundene CO2.
„Wie sehe ich meinen Wald stehen? // Den habt ihr mir verwüstet // Und mein Wild umgebracht // Und meine Vögel verjagt. // Ich sage euch Fehde an.“ – Hartmann von Aue
Wald ist nicht immer schön. Manchmal wirkt er auch bedrohlich, unheimlich oder ist offensichtlich in Gefahr.
Wie Wald genau definiert wird, ist wichtig und keineswegs einfach. Via Satellit kann man auch in entlegenen Gebieten der Welt sehr gut den Grad des Bewuchses bestimmen. Theoretisch weiß dadurch jedes Land ziemlich genau über seine Wälder Bescheid. Was genau offizieller Wald und was eher Wiese ist, dafür werden im Moment aber noch sehr lockere Parameter genommen. Wald oder nicht Wald macht für die Nationen im Kampf gegen den Klimawandel einen großen Unterschied. Wer angeblich viel Wald hat, darf sich gemütlich zurücklehnen und sieht primär die anderen in der Pflicht.
„Man rettet den deutschen Wald ja nicht, indem man ‚Oh Tannenbaum‘ singt.“ – Horst Stern
Grob gesagt haben wir weltweit etwa 3 Billionen Bäume auf 4 Milliarden Hektar Fläche Wald. Und tatsächlich sind nach diesen Zahlen die Wälder, trotz intensiver Abholzung, in den letzten Jahrzehnten nicht geschrumpft.
Der Wald im Kaffa Biosphärenreservat in Äthiopien war für mich fast vier Monate ein Zuhause. In dieser Zeit habe ich viele wunderschöne Eindrücke gesammelt und unter anderem diese Fotos gemacht:
Die Qualität der Wälder ist heute ganz anders als früher. Obwohl die Anzahl der Bäume relativ konstant bleibt, verschwinden die natürlichen Wälder in rasender Geschwindigkeit. Sie werden gerodet, durch Plantagen ersetzt oder mit schnellwachsendem zunehmend auch gentechnisch verändertem Eukalyptus aufgeforstet. In manchen Ländern zählt das auch als Wald. Biologische Vielfalt und geschützten Lebensraum für Pflanzen und Tiere kann man in Plantagen nicht erwarten und Eukalyptus hat nicht nur einen enormen Wasserverbrauch, er brennt auch wie Zunder und schädigt bzw. verdrängt das Ökosystem der einheimischen Wälder.
Schnell wachsende Bäume werden auch schnell alt und sterben schnell wieder ab – als langfristiger CO₂-Speicher sind manipulierte Gen-Bäume also denkbar ungeeignet, obwohl sie im Rahmen des Emissionshandels unter dem Deckmantel des Klimaschutzes leider weltweit aufgeforstet werden.
„Wenn ein Mann die Hälfte eines Tages in den Wäldern aus Liebe zu ihnen umhergeht, so ist er in Gefahr, als Bummler angesehen zu werden; aber wenn er seinen ganzen Tag als Spekulant ausnützt, jene Wälder abschert und die Erde vor der Zeit kahl macht, so wird er als fleißiger und unternehmender Bürger geschätzt.“ – Henry David Thoreau
Betrachtet man den Wald nur in Zahlen, kommt man nicht weit. Allein die großen Internationalen Organisationen wie z.B. die FAO (Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen), UNEP (Umweltprogramm der Vereinten Nationen), der Weltklimarat IPCC (Intergovernmental Panel on Climate Change) oder die ITTO (International Tropical Timber Organization) definieren Entwaldung und Waldschädigung unterschiedlich. Auch im Kyoto-Protokoll wurde die Definition Wald für jedes Land unterschiedlich bestimmt. Die strengsten Anforderungen sprechen von 1 Hektar Fläche, die zu 30 % mit Baumkronen bedeckt sind wobei der Pflanzenwuchs mehr als 5 Meter hoch sein sollte. So gesehen sind viele Plantagen ein Wald und auch mein Hinterhof in Bonn käme hin und wieder stolz zu solchen Ehren… Das ist also viel zu lasch und hilft uns im Sinne des weltweiten Klimaschutzes nicht weiter.
Düster und geheimnisvoll aber auch lichtdurchflutet und voller Leben. Experimentelle, selbstentwickelte analoge Fotos aus dem Kottenforst, einem der größten Wälder von Bonn, direkt südwestlich der Stadt.
Die meisten Regierungen haben wenig Interesse, den Wald strenger zu definieren. Sie könnten dadurch offizielle Flächen verlieren und müssten entsprechend ihre Bemühungen im Kampf für das Klima intensivieren. Dagegen könnten aber Länder mit wirklichen wilden und natürlich gewachsenen Waldflächen durchaus von strengeren Richtlinien profitieren. Vor allem die Wälder in Entwicklungsländern stehen unter enormem Druck und werden innerhalb kürzester Zeit abgeholzt, beispielsweise in Äthiopien. Oft fehlt der politische Wille etwas für den Wald zu tun auch vollständig, wie beispielsweise unter dem neuen Präsidenten in Brasilien. Wenn man wirkliche, natürlich gewachsene Wälder als kostbare Naturschätze mit ihrem Wert für die Menschheit anerkennt, würde sicherlich auch mehr zu ihrem Schutz und Erhalt unternommen. Dafür ist es aber wichtig den Begriff Wald nicht weiter zu verwässern, sondern seine spezifischen Qualitäten zu erkennen und zu fördern.
„Habt Ehrfurcht vor dem Baum, er ist ein einziges großes Wunder, und euren Vorfahren war er heilig. Die Feindschaft gegen den Baum ist ein Zeichen von Minderwertigkeit eines Volkes und von niederer Gesinnung des einzelnen.“ – Alexander Freiherr von Humboldt
Schnelle Veränderungen sind selten im Sinne der Natur. Auch das System der Waldnutzung kann nicht einfach von heute auf morgen auf den Kopf gestellt werden. Genauso wie bei der Landwirtschaft geht es in erster Linie zunächst darum Freiräume zu schaffen. Lebensraum und Vielfalt gehen Hand in Hand. Die Natur braucht ein bisschen Chaos. Unordnung schafft Nischen und auch in wirrem Gestrüpp kann noch ein geschütztes Zuhause für ein Lebewesen entstehen. Daher muss man zunächst Freiräume für wildes Leben schaffen, Inseln und Rückzugsorte bereitstellen und einzelne Abschnitte des Waldes aus der Bewirtschaftung herausnehmen. Einfach ginge das zum Beispiel an Stellen, die sowieso eher schwierig zu bewirtschaften sind, an Hanglagen, in sumpfigen Gebieten oder in „Kernzonen“, tief im Wald oder an Ecken, die sowieso schon immer von den Menschen gemieden wurden. Ein sehr gutes Beispiel wie Naturschutz und Menschen zusammenkommen können, finden wir übrigens in den UNESCO Biosphärenreservaten.
Bambus- und Nebelwälder sind einzigartige Ökosysteme und eine ganz eigene Welt für sich. Hier ein paar Eindrücke aus dem UNESCO Kafa Biosphere Reserve, dem Biosphärenreservat in Kaffa, im Südwesten von Äthiopien.
Das natürliche Ökosystem unbewirtschafteter Wälder, sogenannter Naturwälder, ist wie ein Immunsystem für das Klima. Es wirkt ausgleichend und hilft wie ein Puffer um Wetterextremen zu begegnen. Gleichzeitig bieten sich selbst überlassene Wälder wichtigen Rückzugsraum für viele kleine und auch nicht ganz so kleine Lebewesen. Dadurch sind sie essenziell für die biologische Vielfalt. Die Bundesregierung will in den nächsten Jahren für mindestens fünf Prozent der Waldflächen in Deutschland eine natürliche Waldentwicklung sichern, sagt Staatssekretär Flasbarth. Das Klima-Bündnis und der NABU engagieren sich mit dem Projekt Speicherwald für mehr Wildnis im Wald und betreiben eine sehr informative Webseite.
Mein Beitrag für den Cartoon-Wettbewerb zum Thema „Je wilder, desto wertvoller!“
Wer ist in der Lage etwas für den Wald zu tun? Ist es die Politik? Sind die Waldbesitzer in der Pflicht? Wenn man hoch auf einen Hügel klettert und über die weite Landschaft schaut, ist es schwer vorzustellen – jedes Stückchen Wald gehört jemandem. So gibt es sehr viele Verantwortliche. Wald ist für einen Großteil der Menschen wichtige Ressource zur Sicherung des Lebensunterhalts und muss gerade für die Armen auch zur einfachen Deckung der Grundbedürfnisse genutzt werden. So gibt es keine einfache Strategie zu seinem Schutz. Weder können wir einfach den Wald definieren, noch können wir sagen was richtig und gut für den Wald wäre. Über die Qualität des Waldes können wir aber sehr wohl sprechen. Wir können beobachten und vergleichen. Und in diesem Sinne kann ich mir auch als Maler eine Meinung über den Wald erlauben.
Wer schließlich in seinem regionalen Wald eine besondere Qualität erkannt hat, kann auch für sich lokal abschätzen was richtig und was falsch ist. Verantwortlich für den Wald ist schließlich jeder, der in der Lage ist etwas zu machen. Ein jeder ist der Herr in seinem Reich und wer erkannt hat was das Richtige ist, kann nicht einfach weiter das Falsche tun. Auf globale Entscheidungen können wir lange warten; schon auf nationaler Ebene ist es nicht immer einfach für jeden den richtigen Weg zu finden. Im Wald vor unserer Haustüre können wir uns aber ein eigenes Bild schaffen. Wir können erkennen, was uns gefällt, was wir schön finden und was uns gut tut. Dafür einzutreten und zu kämpfen ist auf jeden Fall richtig und sinnvoll.
Ein Jahr im Wald: Fotos aus allen Jahreszeiten führen einmal durch die vielen Facetten des Waldes. Hier ist eine Sammlung mit Aufnahmen sortiert von Januar bis Dezember.