Vendramin-Calergi

Vendramin-Calergi
Der Palazzo Vendramin-Calergi: Heute ist hier das Casinò di Venezia

In der Zeit um 1500 hatte Venedig seine endgültige Form erreicht, es hatte sich zu einem großen Staat entwickelt, der auch in weit entfernte Länder vorgestoßen war und ein ausgedehntes Handelsnetz unterhielt. Es war eine Zeit, die als der Zenit der venezianischen Geschichte angesehen werden kann. Die Stadt war aufgrund ihrer Größe in viele Konflikte verwickelt und hatte enorme Kriegskosten zu stemmen. Die Familie Loredan stellte in eben diesen turbulenten Jahren mit Leonardo Loredan von 1501 bis 1521 den Dogen von Venedig und Andrea Loredan gab dem Architekten Mauro Codassi den Auftrag, einen neuen Palast zu bauen.

Wie sehr viele Architekten Venedigs, kommt auch der Architekt des Palazzo Vendramin-Calergi aus der Lombardei. Mauro Codassi (auch Mauro Codussi oder Mauro Coducci sind übliche Schreibweisen) hat in Venedig schon einiges mit entwickelt, unter anderem Arbeiten für das Kloster San Zaccaria (das älteste Kloster Venedigs), den Uhrenturm auf dem Markusplatz und auch an der Fassade der Scuola Grande di San Marco war er federführend beteiligt. Da Mauro Codassi schon alt geworden war, wurde der Auftrag von Andrea Loredan auch sein letzter: Er starb noch vor der Fertigstellung des Palastes.

Nach seinem Tod wurde der Bau von verschiedenen Steinmetzen zu Ende gearbeitet. Über das genaue Datum der Fertigstellung ist nichts bekannt, aber wir wissen, dass der Palast 1509 schon bewohnt war. Daraus läßt sich schließen, dass er in etwa 9 Jahren gebaut wurde; eine kurze Zeit für einen Palastbau, bedenkt man die ungeheuren Schwierigkeiten, welche Venedigs Handwerkern auch heute noch einige Probleme bereiten.
Da es in Venedig Sitte ist, alle Pracht ausschließlich an der Fassade zur Geltung zu bringen, werden die restlichen Wände des Baus schlicht gehalten. Diese Regel ist zudem logisch, weil die Seitenwände sowieso nur an enge Gassen und finstere Kanäle anschließen und somit jeglicher Schmuck „für die Katz“ wäre. Am Palazzo Vendramin-Calergi ist das nicht anders. Die wunderbare Frührennaissancefassade, welche als eine der prunkvollsten Venedigs gilt, erkennt man beim Vorbeifahren am besten daran, daß die verschiedenen Etagen durch sehr prägende Gesimse getrennt sind. Diese Betonung der Horizontalen ist bezeichnend für den Stil des Architekten Codassi und findet sich auch bei vielen anderen seiner Bauwerke.
Ganz oben findet man zur Abgrenzung ein sehr starkes Traufgesims. Die symmetrische Fassade wirkt hell, da für den Bau istrischer Stein (sogenannter Karstmarmor) verwendet wurde. Recht gut kann man die ungefähre Raumaufteilung erkennen.
Bemerkenswert sind die großen Fensterflächen, deren Rahmenverzierung aus halben und ganzen Kreisen besteht und welche wunderbar mit der Kolonnadengliederung der korinthischen Säulen harmonieren. Hier ist dem Architekten ein perfektes Spiel mit typischen Stilelementen der Renaissance und traditioneller venezianischer Baukunst gelungen. Die ganze Fassade wirkt durch mächtige Pfeiler im Untergeschoß getragen.
Außer der Fassade ist übrigens auch die gesamte Innenausstattung im Renaissancestil gewesen; besonders zu beachten sind, wenn man einen Blick hineinwerfen möchte, der Treppenaufgang sowie die Kamine. An diese einzigartige Fassade grenzen seitlich nur kahle Mauern, spärlich von scheinbar zusammenhanglos angeordneten Fenstern durchsetzt.
Nachdem nun der Palast fertiggestellt war, konnte sich kein Gebäude Venedigs mit dem der Familie Loredan messen. Mit einer Höhe von 78 venezianischen Fuß (22 m) ist es noch heute eines der größten Gebäude am Canal Grande.

Die Geschichte des Palastes ist seit seiner Fertigstellung ziemlich abenteuerlich. Obwohl die Loredan eine der mächtigsten Patrizierfamilien waren, gerieten sie schließlich doch in solche Schwierigkeiten, dass sie schon nach 80 Jahren nicht mehr berechtigt waren sich mit dem Besitz dieses Prachtbauwerkes zu schmücken – was sie sonst immer wieder und sehr gerne gemacht hatten.
Der Herzog von Braunschweig kaufte 1581 das sogenannte „schöne Haus von San Marcuola“ für 50000 Dukaten. Trotz seiner Leidenschaft für Venedig verkaufte er es aber gerade mal zwei Jahre später, nun für die ungeheure Summe von 90000 Dukaten an Wilhelm III, den Marchese von Mantua. Durch eine Auseinandersetzung mit den Erben Heinrichs mußte der Palast schließlich öffentlich versteigert werden und für nur 36000 Dukaten erwarb ihn Vittore Calergi, der einer steinreichen Patrizierfamilie entstammte.
Die Familie Calergi stammte aus Candia auf Kreta und hatte sich während des Kretakrieges 1285 freiwillig Venedig unterworfen. So konnten sie nicht nur ihr ungeheures Vermögen retten, sondern es gelang ihnen außerdem, eine Aufnahme ins Patriziat bewirken. Unter der Familie Calergi spielte sich nun ein glanzvolles Leben im Palast ab. Selbst für die ausschweifendsten Feste war genug Raum vorhanden. Der Palast beinhaltet einen großen Bildersaal, einen Saal dei Cuori d`Oro, einen mittleren Saal und außerdem einen gelben Saal, der wegen seiner gelben Damasttapete so heißt. Neben dem roten Zimmer finden sich schlißlich noch die Zimmer der Herzogin de Berry und ein paar weitere mehr; genug Raum, könnte man meinen. Dennoch, die Familie Calergi beauftragte 1614 Vicenzo Scamozzi, ein weiterer bedeutender Architekt der Renaissance, mit dem Anbau des Palastes: wegen Platzmangels.
In diesem Anbau, dem sogenannten „weißen Flügel“, versteckte Marina, die Tochter Vittorio Calergis, ihre zwei Söhne Giovanni und Pietro, die eigentlich wegen mehren Vergehen aus Venedig verbannt waren. Diese zwei ließen nun aber in der Nacht des 15. Januar 1658, voll von unversöhnlichem Haß auf Francesco Querini-Stampalia, diesen aus seiner Gondel entführen, als er nach der Oper auf dem Heimweg war. Er wurde in den weißen Flügel geschleppt, in welchem sie ihn dann durch ihre „bravi“ umbringen ließen. (Bravi sind Straßenräuber und Leibwächter, welche zu dieser Zeit von vielen Adeligen in Venedig angestellt waren). Als der Mord ans Licht kam, konnte man aber nur die Verbannung von Giovanni und Pietro verlängern, da diese den Mord ja nicht selber begangen hatten. Der weiße Flügel, den Scamozzi gebaut hatte, wurde aber voll Empörung wieder abgerissen.

Durch Heirat hatte der Palast inzwischen den Namen Calergi-Grimani bekommen und wurde schließlich durch den Tod des letzten Calergi-Grimani-Erben an die Familie Vendramin vererbt. Allerdings, wie vorher bei den Grimanis, unter der Bedingung, dass der Name Calergi übernommen wird. So erhielt der Palast den Namen Vendramin-Calergi, den er auch bis heute behalten hat.
Die Vendramins waren 1381 nach dem Chioggiakrieg freiwillig zu Venedig übergetreten und Patrizier geworden. Am Rialto hatten sie mehrere Banken und waren wegen ihres Reichtums sehr bekannt. Als im Jahre 1845 der Palast von Nicolò Vendramin-Calergi verkauft wurde, erwarb ihn Maria Carolina, die Witwe des Duc de Berry. Noch bevor sie in den Palast einziehen konnte, heiratete sie ihren Geliebten Enrico Luccesi-Palli, einen sizilianischen Grafen. Zusammen mit den Kindern ihres neuen Mannes erzog sie ihren Sohn aus erster Ehe, den Conte de Chambord. Maria Carolina ließ sich gerne Duca della Grazia nennen und lebte überaus prunkvoll in ihrem neuen Palast. Nach zehn Jahren ausschweifenden Lebensstils drohte ihr aber der Ruin. Ihr Sohn, Chambord, versuchte deshalb den Palast zu einer Vogtei des Malteserordens zu machen, da dadurch jegliche Erweiterung, Umbau oder Verkauf unmöglich geworden wären. Die Herzogin lebte jedoch weiterhin auf ihre extravagante Weise und wurde schließlich nach weiteren zehn Jahren in Saus und Braus von ihrem Sohn gezwungen, den größten Teil des Palastes bei einer Auktion in Paris zu verkaufen. Als sie fünf Jahre später starb, wurde der Palast an die Erben ihres Mannes, die Lucchesi-Palli vererbt.
Die Lucchesi Palli lebten auch auf großem Fuß. Sie brauchten aber nicht alle Räume, weshalb sie im September 1882 fünfzehn Zimmer des Gartenflügels an Richard Wagner vermieteten, der dort mit der Komposition seiner Parsifal-Partitur beschäftigt war. Im Dezember kam noch sein Schwiegervater Franz Liszt dazu, welcher hier „La lugubre gondola“ komponierte. Nachdem die zwei Komponisten am Heiligabend (der in Venedig nicht gefeiert wird) ein Privatkonzert in der Fenice gaben, starb Wagner am 13. Februar 1883 nach einem Schlaganfall. 1926 gelang es dem Grafen Volpi di Misurata, die Vogteirechte des Malteserordens auf seine Landvilla zu übertragen und so den Palast zu erwerben. Nach dem Zweiten Weltkrieg kaufte die Stadt Venedig den Palast.
Heute beherbergt er das Casinò di Venezia, das Kasino der Stadt.