Herbst, Winter und Lichthygiene

Aus der Naturbeobachtung heraus lässt sich jeder Zeit im Jahr eine ganz spezifische Farbpalette zuordnen. Die warmen, goldenen Töne im Spätsommer, die roten und braunen Farben im Herbst, das verwaschene bräunliche Grün der Wiesen – aber auch das gleißende Blau und Weiß der Berge im Winter. Hätten wir nur die Möglichkeit jeden Tag genug Zeit im natürlichen Licht zu verbringen, würden uns das Tageslicht und die Farben der Natur eindrücklich und unserem biologischen Empfinden gemäß durch das Jahr führen. Ich glaube, dass viele seelische Krankheiten der Menschen auch in den katastrophalen Lichtverhältnissen ihrer Umgebung wurzeln. Das Leben in den Städten, in Großraumbüros, immer in voll klimatisierten, künstlich geschaffenen Innenräumen, entspricht nicht unseren natürlichen, gesunden Erwartungen an den Raum. Obwohl sich einige Architekten ehrliche Mühe geben und mit großen Fensterfronten, Lichthöfen und hellen Begegnungsstätten den Arbeitstag gesünder gestalten, spielt das Licht im Alltag für Viele immer noch eine zu gering geachtete Rolle. 
Schlechtes Licht hat Auswirkungen auf die seelische Gesundheit der Menschen. Ich denke, dass sich mit Farben und Licht in Innenräumen, insbesondere dort, wo gelebt und gearbeitet werden soll, viel erreichen lässt und dass das Thema Lichthygiene ein spannendes Gebiet für künstlerische Experimente darstellt. 
Im Folgenden möchte ich zeigen, was man unternehmen könnte und, wie man sogar mit wenig Aufwand erträgliche Lichtverhältnisse an seinem Arbeitsplatz schaffen kann. So denke ich mir im Moment zwei Lösungen: 

1. Eine große, ortsbezogen zu installierende, interaktive Lösung, welche im Prinzip kontinuierlich die Lichtverhältnisse außen scannt, ihre wesentlichen Farben (und eventuell auch flächige Eigenschaften) extrahiert und diese über Lichtsysteme im Inneren wiedergibt. 
2. Eine kleine Lösung, welche in Form von eigenen, noch zu bauenden Lampen das Licht am Arbeitsplatz so ändert, dass es die Qualitäten der Jahreszeit wiedergeben kann bzw. ergänzt. Hierbei sind verschiedene technische Möglichkeiten denkbar. 

Die große Lösung ließe sich mit der entsprechenden Hardware (Kameras, Computer, LED-Wänden) leider momentan nur relativ kostenintensiv verwirklichen. Schön wäre hier, einige Systeme zu realisieren, um damit zu untersuchen (beispielsweise in Großraumbüros), was alles möglich wäre und wie das wirkt. Man müsste aber immer wieder für jeden Raum, jede Situation, neue, individuelle, maßgeschneiderte Ansätze, ggf. in Kooperation mit den Architekten verfolgen. Beispielsweise wird aktuell am Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation (IAO) im „Light Fusion Lab“ zu dem Thema geforscht. Spannend daran ist vor allem auch, dass dort LEDs in den Mittelpunkt der Untersuchungen gerückt werden. Vielleicht sind LEDs tatsächlich die entscheidende Schlüsseltechnologie, um jetzt peu à peu in unseren Lebensräumen bessere lichthygienische Verhältnisse umzusetzen. Sie sind sparsam, klein, flexibel, machen wenig Wärme und sind sehr unterschiedlich einsetzbar. Herkömmliche Glühbirnen stehen auch mit den EU-Glühlampen-Richtlinien vor dem schrittweisen aus. Gleichwohl habe ich noch niemanden getroffen, der momentan wirklich glücklich über diese neue Technologie ist. Obwohl die LED-Lampen so viele günstige Eigenschaften haben und wenig verbrauchen, empfinden die meisten Menschen ihr Licht als kalt, zu dunkel, ungemütlich oder fremdartig. Der Umgang mit dieser neuen Technologie ist momentan noch nicht mutig genug und auch nicht ihren eigentlichen Möglichkeiten entsprechend. Forschungen, wie im Light Fusion Lab, sind da also mit großem Hallo zu begrüßen und es reicht nicht, einfach nur das alte Glühbirnensystem bzw. alte Beleuchtungsmuster möglichst gut zu imitieren. 
Was ist sonst noch gut an LEDs? Anders als Energiesparlampen oder Leuchtstoffröhren, leuchten LEDs beständig, ohne Flackern. Dadurch wird dieses Lichtsystem im Prinzip sogar als wohltuend empfunden und beispielsweise Kühe fühlen sich unter dem Licht von LEDs (gegenüber dem von Leuchtstoffröhren) weniger gestresst und geben 6 % mehr Milch (vgl. The Kansas City Star am 14. April 2012: “Can cows be LED to give more milk?“). 

Die kleine Lösung lässt sich vereinfacht auch als „Stimmungsleuchte“ umschreiben. Anwendungsbereiche wären hier etwa auf dem Schreibtisch bzw. allgemein Situationen in Wohn- und Arbeitszimmern. Viele Ideen und Anregungen zum Bauen einer eigenen Lampe finden sich beispielsweise, wenn man nach „LED Ambilight“ oder so ähnlich im Internet sucht und sonst auch beispielsweise als Produktlinie „LivingColors“ von der Firma Philips (ebenso wie einige Lampen zur „Lichttherapie“) oder sogar bei IKEA, wo sich mit der 4-teiligen, bunten LED Lichtleiste DIODER sicherlich etwas hübsches basteln lässt – das will ich bald auch mal selber ausprobieren und dann mit Fotos hier berichten. 

Meine Idee der Lichthygiene orientiert sich ursprünglich am Herbst. Im Herbst, wenn das Licht weniger wird, färbt sich die Natur in schönste, bunte Farben. Man sieht warme Töne, die Farben der Herbstpalette, viel Weiß (wie ein bedeckter Himmel) und erlebt das Prinzip eher punktueller Lichtquellen (wie z.B. Feuerstellen, Kerzen, einzelne warme Sonnenstrahlen etc.). 
Das Ziel sollte eine Lichtqualität sein, wie man sie natürlich auch in der Natur finden würde. Wenn im Juni draußen sehr viel Licht ist, ist es hell genug. Der Impuls zu Herbstfarben entsteht erst, wenn nicht mehr genug Licht da ist: Eine Mangelsituation, wie man sie immer auch in Gebäuden, Innen, bei Kunstlicht hat. Selbst wenn er ordentlich beleuchtet wird, ist im Innenraum doch selten so viel Licht wie draußen. Das heißt folglich auch, dass Menschen, die sich viel Innen aufhalten, während dieser ganzen Zeit „Herbst“ erleben. In zu dunklen Räumen ist die natürliche Reaktion also immer ein inneres erwarten der Herbstfarben. Dabei wird in Innenräumen aber bisher nichts „bunt“, nichts reagiert so auf den Mangel, wie die Natur, die Bäume und Pflanzen draußen auf den Mangel richtig reagieren – mit bunten Herbstfarben und fröhlichen Lichtsprenklern. 
Warum aber „nur“ Herbstfarben und Herbstlicht und nicht gleich Sommerfarben und gleißendes Sonnenlicht? Besonders stark wird der Lichtmangel ja während der dunklen Monate empfunden. Im Frühling und Sommer wären technische Lösungen für bessere Lichthygiene schnell unnötig, wenn jeder nur ein bisschen darauf achtet mehr nach Draußen zu gehen. Im Herbst und Winter reichen ein paar kurze Minuten Sonne in der Mittagspause aber leider nicht mehr aus. Besonders hier muss also eine gesunde Ergänzung gefunden werden. So, wie man sich im Sommer bei zu starker Klimaanlage sehr schnell erkälten kann, so, wie zu starke Heizungsluft im Winter schnell einen trockenen Hals bedingt, besteht wahrscheinlich auch die Gefahr, dass zu grelles, fremdartiges Licht im Herbst und Winter unseren Biorhythmus durcheinander bringt. 

Man sieht also, dass es viele spannende Ideen und viele Möglichkeiten dazu gibt und vielleicht präsentiere ich hier ja schon bald einen eigenen interaktiven, Lampenprototyp oder wenigstens ein paar Skizzen, Pläne und Studien. 

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